1622 - Sie kamen aus der Totenwelt
auf.
Suko deutete auf die Haustür. »Und jetzt schließen Sie uns bitte auf.«
Der Hausmeister war noch immer leicht geschockt. »Scheiße, verdammt, wie ist das möglich? Er war noch nicht alt, aber…«
»Schließen Sie bitte auf.«
Suko und ich hatten keine Lust, ihn in Details einzuweihen. Er merkte, dass wir seine Fragen nicht beantworten wollten, schloss die Haustür auf und ließ uns ein.
»Wo liegt die Wohnung?«, fragte ich.
»In der ersten Etage.«
»Gut.«
»Es gibt keinen Lift.« Er ging bereits auf den Beginn der Treppe zu.
Eine Antwort ersparte ich mir. Ich hatte auch nicht mit einem Aufzug gerechnet.
Nicht in diesen Bauten. Und so stiefelten wir die Stufen hoch, die aus grauen Steinen bestanden.
Es war kein stilles Haus. In der Regel stammten die Geräusche und Stimmen, die uns aus Fernsehern an die Ohren kamen. Aber das Haus war sauber, und ich konnte mir vorstellen, dass der vierschrötige Hausmeister dafür sorgte.
In der ersten Etage fanden wir uns in einem langen Flur wieder. Kaltes Licht strömte aus Leuchten an der Decke. Irgendwo schrie ein Kind.
Der Hausmeister ging an der Tür vorbei, nicht ohne sie zuvor mit einem Bulldoggenblick bedacht zu haben.
»Sie sorgen hier für Ordnung, nicht?«, fragte Suko.
Er blieb vor einer Tür stehen und nickte uns zu. »Und ob ich das tue. Das muss auch so sein. Die Häuser gehören meinem Schwager, und ich bin dafür verantwortlich.«
»Das ist wichtig.«
»Und ob. Soll ich die Tür öffnen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das ist nicht nötig. Wir haben einen Schlüssel.«
»Wie Sie wollen.«
Ich lächelte ihm zu und sagte: »Dann bedanke ich mich für Ihre Hilfe, Mister.«
Er verstand den Wink, grinste etwas verkniffen und zog sich zurück. Ob er die Treppe wieder hinabstieg, wusste ich nicht. Es war mir auch egal.
Ich schloss die Tür auf und betrat vor Suko eine kleine Wohnung, in der es muffig roch. Wir standen in einer winzigen Diele mit kahlen Wänden.
Abgesehen von der Wohnungstür gab es noch zwei weitere. Eine war recht schmal. Ich schätzte, dass sie in ein Bad führte. Tatsächlich lag dahinter eine Nasszelle.
Suko war schon in den anderen Raum gegangen. Er hatte die Tür nicht wieder geschlossen. Ich folgte ihm und schob mich dann an ihm vorbei.
Es gibt Menschen, die auch in kleinen Räumen Wert auf eine gewisse Wohnkultur legen. Das war bei Todd Hayes nicht der Fall gewesen.
Liege, Tisch, zwei Stühle, eine Glotze, ein Schrank aus dünnem Holz, aber keine kahlen Wände, denn hier hatte er von seinem zweiten Leben geträumt. Die freien Flächen waren mit Postern geschmückt, die allesamt Motive aus den Bergen zeigten und die Stimmungen der verschiedenen Jahreszeiten wiedergaben. Wir schauten nicht nur auf die Kulisse der Alpen, auch das Massiv des Himalaja war vertreten, und man konnte sagen, dass Todd Hayes wirklich ein Fan der Berge gewesen war.
Wenn er sich etwas kochen wollte, brauchte er keinen Herd. Ein zweiflammiger Gaskocher hatte ihm genügt.
»Der hat wirklich in zwei Welten gelebt«, erklärte Suko und hob die Schultern an. Danach öffnete er den Schrank, und ich ging zum Fenster.
Wir waren beide gespannt, ob wir irgendetwas Persönliches fanden.
Ich öffnete das Fenster, um frische Luft in den Raum zu lassen. Der Blick nach draußen war trist. Die Themse war nicht zu sehen. Wir hörten nicht mal das Rauschen. Dafür aber Verkehrsgeräusche.
Ich wollte sehen, was der Schrank enthielt. Suko stand davor und hob die Schultern.
»Was ist?«
Mein Freund winkte ab. »Viel Wert auf Kleidung hat er nicht gelegt. Aber gute Bergschuhe, die sind schon da.« Er bückte sich und holte sie von einem Koffer weg. Danach zog er den Koffer hervor und öffnete ihn. Eine Bergsteigerausrüstung verbarg sich nicht darin. Wir sahen aber die entsprechenden Klamotten, die er im Gebirge anziehen musste.
Wetterfeste Kleidung und ein leerer und zusammengedrückter Rucksack.
Ich fand noch eine Aktentasche, holte sie hervor und stellte sie auf den Tisch. Ihr Inhalt bestand aus Ansichtskarten und speziellen Wanderplänen. Allerdings nur für eine Region. Da ging es nur um das Obere Engadin. Von Maloja bis kurz hinter Bever, und auch Karten, die Wanderer in die Seitentäler führten. Dort gab es einige Berge, die erklettert werden konnten. Top war der über viertausend Meter hohe Piz Bernina.
»Das war sein Leben«, murmelte ich. »Ein Hobby, das ihm wohl alles bedeutete.«
»Und das zu finanzieren war«, fügte Suko hinzu. »Aber
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