1642 - Ein Rächer aus dem Nichts
Friedhof?«
Ich winkte ab.
»Das hat wenig Sinn«, erwiderte ich und schaute dabei durch die Frontscheibe.
»Ich denke, dass ich noch mal mit Tanner telefonieren sollte.«
»Ja, tu das.« Suko startete den Rover, während ich zum Handy griff und Tanners private Nummer wählte. Er war tatsächlich zu Hause und meldete sich, während seine Frau im Hintergrund mit jemandem sprach.
»Gibt es was Neues?«
»Ja«, erwiderte ich. »Das gibt es. Deine Zeugin Loreen Sander lebt nicht mehr.«
»Was?«, schrie er. »Hat man sie getötet?«
»Das kann ich dir nicht sagen.«
Ich weihte Tanner in den folgenden Minuten ein. Er hörte zu, aber zwischendurch war auch sein Stöhnen zu vernehmen.
»Das ist doch nicht wahr, John. Nein, das kann ich nicht begreifen. Ich habe selbst mit ihr gesprochen. Sie sieht aus wie die nette Oma von nebenan. Rote Wangen, eine randlose Brille. Eine Frau, zu der man Vertrauen haben kann.«
»Die aber trotzdem tot ist.«
Tanner schwieg. Erst nach einer Weile hatte er sich wieder gefangen.
»Kann es dann sein, dass eine andere Person den Namen angenommen hat?«
»Möglich.«
»Und was denkst du noch, John? Dass ich mit einem weiblichen Zombie gesprochen habe? Dass sie gar nicht tot ist, sondern als lebende Tote durch die Welt geistert?«
»Ich kann dir keine konkrete Antwort geben, Tanner. Jedenfalls haben wir ein zweites Problem. Außerdem weiß der Mörder bereits, dass wir ihm auf der Spur sind.«
»Ach! Wieso das denn?«
»Weil wir ihn getroffen haben.«
Wieder erlebte ich Tanner sprachlos. Ich klärte ihn auf, und er konnte seine Flüche nicht unterdrücken, bis er dann ein Fazit zog.
»Wie es aussieht, stehen wir wieder am Beginn.«
»Genau das denke ich auch.« Bevor Tanner etwas fragen konnte, kam ich ihm zuvor. »Heute ist sowieso nichts mehr zu machen. Ich denke, dass wir den nächsten Tag abwarten müssen und vor allen Dingen die Aktionen des Rächers namens Gothic.«
Mit ruhiger und auch recht leiser Stimme gab der ChiefInspektor seine Antwort. »Das werden wir wohl und müssen uns darauf einstellen, dass es wieder Tote gibt.«
»Damit rechne ich auch - leider.«
Mehr war nicht zu sagen.
Ich beendete das Gespräch und fühlte mich alles andere als wohl in meiner Haut. Ich wusste, dass uns Gothic Probleme bereiten würde. Ein Rächer wie er gab so leicht nicht auf…
***
Skip Tandy konnte nicht mehr genau nachvollziehen, wie er nach Hause gekommen war. Jedenfalls hatte er es geschafft und hätte eigentlich zufrieden sein können, was er allerdings nicht war, denn er war allein in der Wohnung und es gab keinen Menschen, mit dem er über seine Probleme hätte sprechen können. Er wohnte hier bei seiner Mutter, die sich vor Jahren schon von seinem Vater getrennt hatte. Sie arbeitete als Krankenschwester, und das nur in der Nacht, denn da bekam sie etwas mehr Geld. In einer teuren Stadt wie London war es schwer genug, sich über Wasser zu halten.
Hin und wieder nahm auch Skip einen Job an, dann stapelte er in einem Großmarkt Waren in die Regale. Jeden Tag konnte er das nicht, denn auch seine Schule verlangte ihr Recht. Und seine Mutter wollte, dass er seine Begabung nicht brachliegen ließ.
Es war eine kleine Wohnung, die zum Glück nicht in einem Hochhaus lag. Die winzigen Zimmer befanden sich in einem Anbau eines normalen Hauses, und wenn Skip aus seiner Kammer - mehr war der Raum nicht aus dem Fenster schaute, sah er wenigstens in einen Hof, wo sich zwischen der Rückseite des Hauses und einer Mauer eine verrostete Teppichstange befand. Der Hof selbst war mit Gras bewachsen, und sogar ein alter Ahorn stand noch dort. So konnte man sich einreden, dass die Natur auch in dieser Umgebung nicht ganz abgestorben war.
Nur ein paar Straßen weiter gab es eine andere Gegend, die sah schon ländlich aus, hier nicht.
Skip hatte sich daran gewöhnt. Auch an das kleine Zimmer, vor dessen Fenster er seinen Arbeitsplatz aufgebaut hatte. Ein Zeichenbrett und ein Laptop standen dicht beisammen, aber für Skip war das Brett wichtiger.
Bevor er sein Zimmer betreten hatte, war er zum Kühlschrank gegangen und hatte sich etwas zu trinken geholt. Er brauchte den Schluck jetzt einfach. Sein Mund und die Kehle waren ausgedörrt. Er sah sich kaum in der Lage, zu sprechen.
Er ließ sich auf sein Bett fallen, blieb auf dem Rücken liegen und schloss die Augen.
Es war ihm nicht möglich, die Bilder aus seinem Kopf zu bekommen.
Immer wieder sah er die Szene vor sich, und die von ihm
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