1643 - Die Templer-Katakombe
wäre Selbstmord gewesen, länger an diesem Platz zu bleiben. Ich musste weg, stieß mich ab und hoffte, dass der Straßengraben nahe genug lag.
Ich schlug auf hartem Gestein auf, rollte mich weiter und merkte, dass ich abrutschte.
Wieder fielen Schüsse, doch die Kugeln sägten über mich hinweg. Auch Schrittgeräusche waren zu hören, und dort, wo der Mann lag, den ich getroffen hatte, erschienen zwei Gestalten. Ein Mann sicherte ab, der andere packte den Toten und schleifte ihn in Richtung Hubschrauber.
Das sah ich, weil ich mich leicht aufgerichtet hatte.
Was taten die Männer?
Einen Teil ihres Auftrags hatten sie erfüllt, denn Ellen Radix befand sich in ihrer Gewalt. Ich lebte noch, und so fragte ich mich, ob ich wirklich so wichtig für sie war, dass sie weiterhin am Ball bleiben würden.
Nein, sie hauten ab. Auch der Mann, der gesichert hatte, drehte sich um und lief auf die Maschine zu. Ich schaute zu, wie er einstieg.
Gleich darauf hörte ich, wie der Motor angeworfen wurde. Die Rotoren drehten sich. Ihr Luftstrom erreichte selbst mich, der ich in der Mulde lag und den Staub von meinen Lippen ablecken konnte.
Der Vogel aus Stahl flog hoch. Kein Scheinwerfer leuchtete mehr die Umgebung ab. Wie ein düsterer Riesenvogel bewegte sich die Maschine nach oben und wurde von einem finsteren Himmel verschluckt wie ein riesiges Insekt…
***
Ich wusste nicht, warum ich noch auf dem Boden liegen blieb. Vielleicht lag es daran, dass ich meine Enttäuschung noch überwinden musste.
Ich konnte nur von Glück sagen, dass mich die Kugeln nicht durchlöchert hatten.
Ziemlich schwankend blieb ich stehen.
Mit einem schon bemerkbaren Zittern in den Knien ging ich die kurze Strecke zurück auf die Straße. Dort brauchte ich dem Clio nur einen Blick zu gönnen, um zu wissen, dass ich ihn als Fahrzeug vergessen konnte, denn man hatte seine Vorderreifen zerschossen.
Aber wer waren die Männer, die das getan hatten? Tatsächlich die Baphomet-Templer?
Ich konnte und wollte nicht so recht daran glauben. So zu agieren war nicht ihre Art. Trotzdem hatte das nichts zu sagen, sie konnten sich auch durchaus auf neue Gegebenheiten eingestellt haben.
Aber das war nicht das Problem.
Es hatte einen Namen. Es hieß Ellen Radix. Ich hatte es nicht geschafft, ihre Entführung zu verhindern, und das sorgte für eine gewisse Leere und auch Bitternis in mir. Einmal mehr hatte man mir klargemacht, dass auch meine Bäume nicht in den Himmel wuchsen, und ich stand wieder mal als der große Verlierer da.
Ich lehnte mich gegen den Clio und schaute nach, ob er nicht völlig die Straße versperrte. Das war nicht der Fall. Er stand so weit rechts, dass andere Fahrzeuge vorbei konnten.
Ich sah mich zwar als guten Fußgänger an, aber die Strecke bis Alet-les-Bains zu laufen war einfach zu weit.
Mein Handy hatte den Sturz in den Graben überstanden, und so rief ich Godwin im Kloster an, den ich jedoch nicht erreichte. Dafür seine Frau Sophie Blanc.
»Oh, John, wie schön. Du bist schon in der Stadt?«
»Leider nein.«
»Deine Stimme hört sich nicht gut an.«
Ich ging darauf nicht ein und fragte, ob ich Godwin sprechen konnte.
»Klar, ich muss nur weiter verbinden. Er ist oben bei den anderen Brüdern.«
»Danke, tu das.«
Sophie stellte eine Verbindung her. Kurze Zeit später hörte ich Godwins Stimme. »Jetzt sag nur nicht, dass du Ärger gehabt hast. Sophie gefiel der Klang deiner Stimme nicht.«
»Ha, Ärger kann man es auch nennen. Ich bin sogar froh, noch am Leben zu sein.«
Er stöhnte auf. Zu einer Frage ließ ich ihn nicht kommen, denn ich erklärte ihm in Stichworten, was ich erlebt hatte, und schloss mit dem Fazit: »Da ich nicht gern zu Fuß laufen möchte…«
»Ja, ja, ich hole dich ab. Mit zerschossenen Reifen kommst du nicht weiter.«
»Du sagst es, Godwin.«
»Und du hast keine Ahnung, wer dich überfallen hat?«
»Nein, ich habe die Leute nicht erkannt. Ihren Toten haben sie mitgenommen.«
»Gut. Warte auf mich.«
Das Gespräch war vorbei, und ich hätte mich eigentlich entspannen können. Das war nicht drin, erst jetzt verspürte ich die Nachwirkungen des Überfalls.
Okay, mir war nichts passiert, aber ich hatte einen Menschen erschossen, und das steckte auch ich nicht so einfach weg. Mich überfiel ein leichtes Zittern, aber ich musste nach vorn schauen, und dabei dachte ich zwangsläufig an Ellen Radix, die vor meinen Augen entführt worden war. Wohin man sie bringen würde, das stand für mich in den
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