1650 - Schrei, wenn der Albtraum kommt
mich zukam. Der sah so unheimlich aus. Der hatte kein Gesicht, aber eine komische Waffe. Er war auch anders angezogen, mit einem langen Mantel und einer Kapuze.«
Ich war plötzlich hellwach geworden. Was dieses Kind geträumt hatte, interessierte mich brennend. Ihr war der Albtraum geschickt worden, und wenn alles so verlief wie bei einem Erwachsenen, dann drohte der Kleinen sogar Gefahr.
Über meinen Rücken rann eine Gänsehaut. Ich beugte mich der Kleinen entgegen, um behutsam weitere Fragen zu stellen, als mich der Vater ansprach.
»He, Mister, was soll das? Was machen Sie da mit meiner Tochter?«
Ich drehte mich nach rechts. Der Junge spielte wieder mit seiner Konsole.
Ich spürte die Feindseligkeit, die mir von diesem Mann entgegenschlug.
»Pardon, aber Ihre Tochter hatte geweint. Da habe ich sie darauf angesprochen.«
»Ist das Ihr Problem?«
»Natürlich nicht. Sie tat mir nur leid. Ich kann Sie verstehen und weiß, dass man heute besorgt sein muss, da mit Kindern zu viel passiert, aber ich gehöre nicht zu diesem Kreis.« Bevor der Mann eine Frage stellen konnte, hatte ich meinen Ausweis hervorgeholt und reichte ihn rüber.
Wenig später war das Misstrauen verschwunden. »Danke, Mr. Sinclair. Ich konnte nicht wissen, dass Sie vom Yard sind.«
»Kein Problem.«
Der Mann streckte mir die Hand entgegen. »Ich heiße übrigens Cliff Gorman.«
»Okay.« Ich lächelte dem Vater zweier Kinder zu. Auch er hatte rötliches Haar, eine hohe Stirn und eine kleine kantige Nase über dem dünnen Mund. »Ihre Tochter hat mir soeben von ihrem bösen Traum erzählt, der sie ziemlich erschüttert hat.«
»War das der mit dem Reiter?«
»Genau.«
Cliff Gorman runzelte die Stirn. »Sie hat ihn schon einmal auf der Fahrt durchlebt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es möglich ist, dass ein kleines Kind so etwas träumt. Dabei versuchen meine Frau und ich sie von irgendwelchen schlimmen Filmen fernzuhalten. Aber man steckt als Eltern eben nicht drin.«
»Da sagen Sie was.«
»Und wer weiß, ob sie bei einer Freundin einen Film gesehen hat, in dem eine solche Person vorkam.«
»Das kann sein.«
Amely hatte zugehört und meldete sich jetzt. »Nein, Dad, ich habe so etwas nie gesehen.«
»Ach, vielleicht hast du es nur vergessen.«
»Habe ich nicht.«
Der Vater wandte sich mir zu. »Sehen Sie, Mr. Sinclair, so sind Kinder eben.«
»Im Prinzip haben Sie natürlich recht, und ich will Sie auch nicht beeinflussen, aber ich gehe mal davon aus, dass Ihre Tochter die Wahrheit gesagt hat.«
»Da sind wir einer Meinung.«
»Schön…« Ich geriet in leichte Erklärungsnot, weil ich das Gefühl hatte, dass sich der Reiter ein neues Opfer ausgesucht hatte. Das durfte auf keinen Fall geschehen. Zudem hatte ich ihn in der Nähe gesehen. Meine Unruhe wollte einfach nicht verschwinden. »Darf ich trotzdem mit Ihrer Tochter über deren Traum reden?«
»Ist das denn so interessant für Sie?«
»Ich denke schon.«
»Und warum ist das so?«
»Ganz einfach. Dieser Reiter ist wohl keine Traumvorstellung, wenn ich das so sagen darf.«
Cliff Gorman sah mich an, als hätte ich etwas Schlimmes zu ihm gesagt.
Er musste erst Luft holen, bevor er fragte: »Das können Sie doch nicht im Ernst gemeint haben?«
»Doch, das habe ich.«
Er musste erst mal Luft holen. »Sie - Sie - glauben, dass es diese Gestalt wirklich gibt?«
»Ich gehe davon aus.«
»Nein, das kann ich nicht glauben. Wir sind hier doch nicht im Kino.«
»Das stimmt. Aber mein Beruf hat mich gelehrt, dass das Leben oft bunter ist als der Film.«
Er winkte ab. »Ja, ich kenne die Sprüche. Das sagt man so. Aber wer glaubt das schon?«
»Ich wurde oft genug damit konfrontiert.«
Cliff Gorman wollte etwas sagen, fand aber nicht die richtigen Worte. Er schaute mich an, auch seine Tochter und meinte mit leiser Stimme: »Da kann man ja richtig Angst bekommen, wenn man Ihnen so zuhört.«
»Das müssen Sie nicht. Doch vorsichtig sollten Sie schon sein.« Ich wechselte das Thema. »Was ist denn mit Ihrem Sohn? Hat er auch geträumt?«
Gorman drehte sich um. Er wollte seinen Sohn fragen, der aber befand sich schon wieder im Wagen bei seiner Mutter. So gab er die Antwort ohne dessen Unterstützung.
»Nein, Ben hat nichts geträumt. Er hat zudem nicht geschlafen und sich nur mit seinem Spielzeug beschäftigt. Das weiß ich. Geträumt hat nur Amely, was ich zwar nachvollziehen kann, aber dass sie…«
»Dad!«
Die schwache Stimme des Mädchens unterbrach seinen
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