1650 - Schrei, wenn der Albtraum kommt
Rauschen war zu hören. Es konnte vom Meer stammen, aber auch der Wind brachte leise Geräusche mit.
Patrick Cameron schnippte den Rest seines Zigarillos aus dem Fenster.
Für einen Moment sprühte die Glut auf, dann sanken die Funken zusammen und erloschen.
Am und in dem Haus, in dem Eric Taylor wohnte, tat sich nichts. Das einsame Licht im Obergeschoss blieb weiterhin brennen, aber vor der Tür zeigte sich niemand. Er bekam auch keinen Besuch aus dem Ort, dort schien alles in einem tiefen Schlaf versunken.
Es war zum Glück nicht das erste Mal, dass ich auf ein bestimmtes Ereignis wartete. Zwar tat ich es nicht gern, aber ich beschwerte mich auch nicht.
Pat Cameron saß gelassen neben mir. Hin und wieder bedachte er mich mit einem Blick. Schließlich sagte er: »Wir haben noch nicht darüber gesprochen, was wir unternehmen, wenn dieser Reiter auftaucht. Hast du dir darüber schon Gedanken gemacht?«
»Habe ich nicht. Ich denke, dass wir spontan handeln müssen.«
»Meine ich auch.« Er klopfte gegen das Lenkrad. »Wenn ich den Reiter nicht selbst gesehen hätte, säßen wir sicher nicht hier. Auch wenn die Zeugenaussagen sehr glaubhaft waren. Erst die Träume, die immer schlimmer werden, dann schlagen die anderen Kräfte zu. Ich hätte ja nie gedacht, dass es so etwas gibt. Die alten Geschichten habe ich immer für übertrieben gehalten. Nun ja, dafür ist Cornwall berühmt.« Er schüttelte den Kopf. »Manchmal muss man eben umdenken.«
»Stimmt.«
»Und du, John, kümmerst dich nur um derartige Fälle? Das zumindest hat Tanner mir gesagt.«
»Ja, das ist mein Job.«
Cameron verzog die Lippen. »Darf ich mal fragen, wie es mit Erfolgen bei dir aussieht?«
»Die sind schon vorhanden. Außerdem stehe ich nicht allein auf weiter Flur. Nur das Böse völlig aus der Welt zu tilgen, das schaffe ich nicht. Das habe ich mir auch abgeschminkt. Es war schon immer da, es wird auch immer bleiben. Es sind die kleinen Siege, die mir immer wieder Hoffnung geben.«
Pat lächelte. »So wie heute.«
»Wir wollen es hoffen.«
Noch passierte nichts. Die Zeiger der Uhr waren weiter gewandert. Bis zur Tageswende würde nicht mal mehr eine halbe Stunde vergehen, und ich machte mich allmählich mit dem Gedanken vertraut, dass wir, wenn überhaupt, das Ereignis um Mitternacht erleben würden. Viele Menschen sahen diese Uhrzeit als magisch an.
Der Nebel hatte sich nicht weiter ausgebreitet. Er war nur dichter geworden und hatte ein graues Meer über und zwischen den Dünen gebildet.
Aber es gab trotzdem eine Veränderung. Uns war schon vorher diese ungewöhnliche Luft mit der leicht gelblichen Farbe aufgefallen, die zwischen Himmel und Erde lag. Bisher hatte sich dort nichts bewegt, doch das änderte sich in den folgenden Sekunden.
Zugleich sahen wir die Bewegung. Genaues war noch nicht zu erkennen.
Parallel zur Nebelfront bewegte sich eine Gestalt, und das tat sie nicht auf eigenen Füßen. Wenn uns nicht alles täuschte, hockte sie auf dem Rücken eines Pferdes.
Cameron stieß mich an. »Das ist er, John! Wir haben Glück!«
Er holte schnaufend Luft, und urplötzlich war das Jagdfieber in ihm erwacht. Er griff nach dem Zündschlüssel, um den Wagen zu starten.
Ich hatte etwas dagegen und hielt seine Hand fest.
»Nein, nichts überstürzen.«
»Warum nicht?«
»Lass uns erst mal herausfinden, was die Gestalt vorhat. Dann können wir immer noch eingreifen.«
»Okay. Ich halte mich bereit.«
Wir brauchten nicht lange, um zu erkennen, weshalb der Reiter erschienen war. Er wollte nicht einfach nur in der Umgebung herumreiten, er hatte ein Ziel. Das wurde uns klar, als er plötzlich abdrehte und auf das Haus mit dem einsamen Licht zuritt.
Da schoss mir durch den Kopf, dass wir vielleicht doch einen Fehler gemacht hatten. Wir hätten schon früher losfahren müssen. Das Haus würden wir vor dem Reiter nicht mehr erreichen. So lagen alle Chancen auf seiner Seite.
Cameron fuhr an. Der Jeep schoss vor, seine dicken Reifen griffen auch auf diesem Boden, und schon hatten wir freie Bahn. Wir würden im rechten Winkel auf den Reiter treffen, aber wir würden zu spät kommen.
Die Gestalt war schnell, und die Beine seines Pferdes schienen über dem Boden zu fliegen.
Wir näherten uns. Er war immer besser zu erkennen. Und so sahen wir, dass er mit einer seltsamen Waffe ausgestattet war. Es war eine Sense, die zu ihm passte.
Patrick Cameron saß verbissen hinter dem Lenkrad, das er sehr stark halten musste. Der Reiter kam
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