Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
Vom Netzwerk:
für das Interesse Eures Königs. Und es soll in meinem Interesse sein, an das Wohlergehen derer zu denken, die meiner Macht schaden wollen? Aus welchem Grunde sollte ich eine Tradition infrage stellen, deren Bewahrer ich bin, wie es meine Vorfahren vor mir gewesen sind und meine Nachkommen es sein werden?«
    »Aber es gibt doch nur ein Interesse, Sire, das Interesse Frankreichs. Dabei ist das Volk das Fleisch des Landes, und Ihr verkörpert Frankreich!«
    Ein frostiges Lächeln glitt über die Lippen des Königs.
    »Manchmal redet Ihr wie die Jesuiten, die mich umgeben, Herr Oberintendant. Was mich betrifft, so wünschte ich mir weniger Argumente als Beweise für den Eifer, mit dem Ihr für meinen Ruhm und den Erfolg meiner Politik arbeitet. Im Übrigen sehe ich mich durch Eure Argumentation in keiner Weise veranlasst, mich gegen eine Tradition zu stellen, die auf den Lehren der Kirche beruht.«
    »Das Manuskript, von dem ich spreche, ist genau dieser Beweis, Sire. Ich bin im Besitz der Fackel, die das Land entflammen kann, die Fundamente untergraben kann, auf denen es ruht. Und diese Fackel will ich zu keinem anderen Zweck benutzen, als Euren Weg zu erleuchten und Eure Schritte zu führen.«
    Der König ballte in einer verächtlichen Bewegung die Faust.
    »Führen, führen!«, schimpfte der König. »An Führern fehlt es mir nicht! Ich kann mich nicht an einen einzigen Tag erinnern, an dem ich aus meinem Zimmer getreten bin, ohne dassgleich zehn Personen mir vorschlugen, mich zu führen! Ich will, dass man mir dient«, setzte er in lauterem Ton hinzu.
    »Ihr könnt nicht einfach über das Manuskript hinwegsehen«, fing Fouquet wieder an. »Es existiert. Seht es Euch an. Euch zu dienen, das heißt, es Euch zu ermöglichen, das Manuskript zu ergründen, während die Welt es nicht kennt, damit Ihr es bei Euren Überlegungen berücksichtigen könnt und Eure Vorbereitungen trefft, es der Welt zu verkünden! Sire, das Manuskript sagt die Wahrheit, die einzige Wahrheit, die es geben   …«
    »Die Wahrheit, Herr Oberintendant«, bemerkte der König, »muss nicht entdeckt werden. Sie befindet sich bereits in unserem Besitz.«
    »Aber, Sire, stellt Euch doch nur vor   …«
    »Und niemand«, schnitt ihm der Souverän eiskalt das Wort ab, »hat ein Interesse daran, sie infrage gestellt zu sehen, und schon gar kein Interesse, die Büchse der Pandora zu öffnen. Ich weiß genau, was gut ist für die, die in meinen Diensten stehen. Und es ist nicht gut, dass der Oberintendant der Finanzen sich einbildet, er wäre ein Philosoph und Exeget. Vergesst die biblischen Schriften, Herr Oberintendant. Verwendet lieber Eure Energie darauf, mir die Mittel zur Verfügung zu stellen, um zu ebenso schönen Festen einladen zu können wie zu dem, an dem wir heute Abend teilgenommen haben.«
    Er hält mich für verrückt, sagte sich der Oberintendant, der wieder ein wenig zu sich kam. Oder habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt, weil das Fieber meine Sinne verwirrt?
    »Ich begreife nichts von dem, was Ihr mir über Euer Manuskript erzählt habt«, fuhr der junge König fort. »Oder, genauer gesagt, ich höre nur Worte, die ein weniger wohlwollender Mensch als ich als Häresie, Frevel oder Majestätsbeleidigung bezeichnen würde. ›Eine Fackel‹? ›Die Fundamente untergraben‹, auf denen das Land ruht? Warum sprecht Ihr nicht gleichvon der Republik, Herr Oberintendant!«, empörte sich der König, und es kostete ihn einige Anstrengung, ruhig weiterzusprechen. »Das sind Worte, die ich mir unmöglich anhören kann. Aber irre ich mich, wenn ich sage, dass Ihr unpässlich zu sein scheint?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, entfernte sich der König. Nach einigen Schritten wandte er sich noch einmal um.
    »Adieu,
monsieur le surintendant
, die Stunde ist gekommen, da wir uns trennen müssen«, sagte er mit merkwürdig ernster und ruhiger Stimme.
    Fouquet begriff, dass der Abend ihm nichts eingebracht hatte, und wie zerschlagen von seiner Niederlage folgte er Ludwig XIV.   Als der König langsam und feierlich durch den Salon schritt, löste sein Vorübergehen bei den dort versammelten Höflingen eine Welle von Verbeugungen aus.
    Als er auf der untersten Treppenstufe stand, zitterte Fouquet vom Fieber, das ihn den ganzen Abend nicht verlassen hatte, und blickte der Karosse des Königs nach.
    La Fontaine hatte sich ihm genähert.
    »Ihr seht nicht gut aus, doch welch prächtiger Empfang! Es hat an nichts gefehlt! Ich kann Euch sagen, dass der

Weitere Kostenlose Bücher