1661
ihn zu brechen!«
»Seit ich von seiner Verhaftung erfahren habe, hatte ich nur ein Ziel«, erklärte Isaac Bartet und trank das Glas Wein aus, das man ihm bei seiner Ankunft zusammen mit Käse und Brot gereicht hatte, damit er nach fast vierundzwanzigstündigem Ritt ohne Unterbrechung wieder zu Kräften kam. »Euch zu benachrichtigen und dann nach Saint-Mandé zu eilen, um zu retten, was noch zu retten ist. Also dann, meine Herren …«, fügte der Spion hinzu, der Fouquet treu geblieben war, und stand von seinem Stuhl auf.
»Aber seid doch vernünftig«, sagte La Fontaine, »so kommt Ihr nicht weit! Ihr könnt ja kaum noch stehen. Gönnt Euch wenigstens zwei Stunden Schlaf.«
»Daran ist nicht zu denken«, entgegnete Bartet. »Wir haben nicht eine Minute zu verlieren. Colbert, diese Giftschlange, hat die Sache ausgeheckt. Bestimmt hat er seine Handlanger schon überallhin geschickt!«
Während Bartet zerzaust und verschmutzt fortgaloppierte, kam Gabriel von einem Ausritt zurück, bei dem er den schönsten Vollblüter aus den Ställen von Vaux hatte laufen lassen. Als er zu Boden sprang und den Gesichtsausdruck seiner beiden Gefährten sah, begriff er, dass etwas Schwerwiegendes vorgefallen sein musste.
»Sie haben Seine Gnaden gestern Morgen in Nantes verhaftet und in Angers eingesperrt. Sicherlich werden sie ihn in die Bastille bringen«, teilte Jean de La Fontaine ihm traurig mit.
»Das ist doch nicht möglich!«, antwortete Gabriel. »Das ist ein Irrtum. Man muss es dem König sagen! Wenn er …«
»Ludwig XIV. höchstpersönlich hat den Haftbefehl unterschrieben«, klärte d’Orbay ihn auf. »Im Augenblick kann man nichts tun. Außer zu retten, was noch zu retten ist.«
»Ich bleibe hier und bringe alle Unterlagen in Sicherheit, die wir für den Prozess brauchen, den Colbert ohne Zweifel inszenieren wird«, entschied La Fontaine.
»Einverstanden«, antwortete François d’Orbay. »Ihr solltet auch die Interessen der Kinder und der Gattin unseres Freundes schützen. Ich fürchte genau wie Bartet, dass die Geier sich schon um die Hinterlassenschaften des Oberintendanten schlagen.«
»Und ich«, warf Gabriel ein, »was kann ich als Zeichen meiner Treue tun?«
»Euch retten, indem Ihr so schnell wie möglich von hier verschwindet!«, sagte d’Orbay und sah den Sohn seines besten Freundes zärtlich, aber auch unmissverständlich an. »Geht hinauf und packt Eure Sachen. Heute Nacht werdet Ihr in Paris sein, den Rest Eurer Habe aus der Rue des Lions Saint-Paul holen und …«
Der Architekt schwieg für einen Moment.
»… wir werden sehen«, fuhr er fort. »Beeilt Euch, ich komme gleich und helfe Euch, den Koffer zu verschließen.«
»Und Ihr, was gedenkt Ihr zu tun?«, fragte La Fontaine, als sie ins Schloss zurückgingen.
»Oh, ich, ich kenne meine Pflicht!«, antwortete ihm der Architekt in eigenartigem Ton.
Gabriel eilte mit großen Schritten in sein Zimmer. Es war ihm unbegreiflich, wie der Oberintendant des Königreichs, der mächtigste Mann Frankreichs, der Herr von Vaux, auf Befehl des Königs hatte verhaftet und eingesperrt werden können. Er dachte an seinen Vater. Er hätte mir einen Rat geben können, sagte er sich, als er die Treppe hinaufstürzte. Dann fiel ihm Louise ein. »Ich muss mit ihr reden. Es kommt überhaupt nicht infrage, dass ich von Paris fortgehe, ohne Vergeltung geübt zu haben. Sie wird mir helfen …«
Einige Augenblicke später klopfte d’Orbay an Gabriels Tür.
»Ich bin fast fertig«, sagte Letzterer, ohne sich umzudrehen. »Ich habe hier nur wenige Sachen, wie Ihr seht.«
»Ich habe Befehle erteilt. Eine Kutsche ohne Wappen erwartet Euch in einer halben Stunde und bringt Euch nach Paris.«
»Und danach?«, fragte Gabriel. »Ich dachte, ich könnte Louise de La Vallière besuchen und sie bitten …«
»Setz dich«, befahl François d’Orbay dem jungen Mann, den das plötzliche Du ein wenig in Erstaunen versetzte.
»Die Lage ist ernst, wie du ja begriffen hast«, fuhr der Architekt fort und setzte sich aufs Bett. »Fouquet läuft Gefahr, dass er nicht lebend aus der Geschichte herauskommt. Die Hoffnungen deines Vaters und unserer Bruderschaft haben sich durch seinen Sturz endgültig zerschlagen. Letzte Woche in Rom habe ich unseren Rat der Weisen zusammengerufen. Wir haben auch über den letzten Vorschlag des Oberintendantenabgestimmt. Er wünschte deine Aufnahme in unsere Bruderschaft für den Fall, dass ihm ein Unglück zustoßen
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