1682 - Das Blutschiff
die Luft aus. Seine Mutter nickte nur und strich über den Kopf ihres Sohnes, als wäre er noch ein kleiner Junge, der getröstet werden muss. Uns hielt hier nichts mehr. Wir sagten den Lesters, dass wir gehen wollten.
»Aber wir bleiben in der Nähe«, fügte Suko hinzu. »Sie müssen sich keine Sorgen machen.«
»Das sagen Sie so leicht«, flüsterte die alte Frau.
Ich reichte ihr beide Hände. »Sie können sich darauf verlassen, wirklich.«
»Das muss ich wohl.«
»Dann halten Sie bei Ihrem Sohn Wache. Und wenn Sie hin und wieder mal aus dem Fenster schauen und ein Auge auf die Umgebung haben, wäre das auch nicht schlecht.«
»Das werde ich tun.«
Wir atmeten tief durch, als wir das Haus verlassen hatten. Suko, der neben mir schritt, schüttelte den Kopf.
»Himmel, John, was hat der Mann für ein Glück gehabt.«
»Das kannst du laut sagen.«
Suko blieb stehen und warf einen Blick in die Runde. »Dann frage ich mich nur, wo unsere Partnerin geblieben ist. Sie wollte sich ja umschauen, aber sie hat nicht gesagt, wo sie das tun will.«
Mir war schon seit Kurzem etwas durch den Kopf gegangen, das ich jetzt erst in Worte fassen konnte, weil ich nicht mehr abgelenkt war. Ich sprach mit Suko darüber, wo Mike Lester die Leiche gefunden hatte.
»Da oben an der Räucherei.«
»Ja. Sie hat dort sicherlich nicht grundlos gelegen, und deshalb werden wir uns dort mal umschauen.«
»Das wollte ich auch gerade vorschlagen.« Suko grinste breit. »Ich könnte mir sogar vorstellen, dass eine andere Person dieselbe Idee gehabt hat.«
»Justine?«
»Wer sonst. Sie zieht das Unheil an wie ein Magnet die Eisenspäne.«
***
Justine Cavallo war sich ihrer Sache hundertprozentig sicher, und deshalb gab sie sich so locker, Sie stemmte sogar die Hände in die Seiten, als wollte sie posieren wie ein Mannequin auf dem Catwalk.
Der Halbvampir sagte nichts. Er bewegte sich auch nicht. Er starrte die Cavallo nur an und musste mit eigenen Augen erleben, dass sie genau das war, wonach er sich sehnte, ein echter Vampir.
Aber dazu war er nicht gemacht worden, sodass er sich als Zwitter fühlen musste, der nicht zur einen und auch nicht zur anderen Seite gehörte.
»Na?«, fragte Justine und schaffte trotz der gefletschten Zähne so etwas wie ein Lächeln.
»Wer bist du?«
Justine runzelte die Stirn.. In ihrer Antwort klang Spott mit. »Du kennst mich nicht?«
»Nein…«
Die Cavallo hob die Schultern. »Aber dir ist der Name Will Mallmann bekannt - oder?«
Die Antwort erfolgte nicht sofort. Erst nach einer Weile nickte die Gestalt.
»Aha. Wenn du Dracula II gekannt hast, hat er dir nie von mir erzählt? Von einer Person, die er mehr hasst als alle anderen, weil sie ihm ins Handwerk gepfuscht hat?«
»Nein, was soll das?«
Justine hatte ihr Gegenüber nicht aus den Augen gelassen und wusste, dass sie nicht angelogen worden war. Mallmann hatte sich zwar mit Menschen befasst, sie in seine Gewalt gebracht und sie letztendlich zu Halbvampiren gemacht, aber er hatte nicht viel über sich und seine Feinde erzählt. Da war er mehr ein Einzelgänger geblieben. Das war nicht mal schlecht. So musste die Vampirin nicht befürchten, dass ihre Feinde gewarnt waren, und konnte ihren Bluff starten. Genau darauf freute sie sich. Sie würde das Geschöpf ins offene Messer rennen lassen.
Ihr nächstes Lächeln wirkte breit und freundlich. »Eigentlich schade, dass wir so wenig voneinander wissen, trotzdem freue ich mich, dich zu sehen.« Sie hob die Schultern und ging einen Schritt näher an den Halbvampir heran. »Ich spüre genau, dass du unzufrieden bist. Du hast nicht das geschafft, was du willst - oder?«
»Was - was meinst du damit?«
»Du bist einfach noch nicht vollkommen. Dir fehlt einiges. Dir fehlt genau das, was ich habe. Du trinkst gern das Blut der Menschen, das tue ich auch. Aber es befriedigt dich nicht. Du kannst als Vampir keine Zeichen setzen. Dir fehlen die Zähne, und nur die Sucht nach Blut steckt in deinem Innern. Deshalb musst du zu ungewöhnlichen Methoden greifen, um satt zu werden. Du saugst den Menschen das Blut aus den Wunden, aber das kann dir nicht die vollkommene Befriedigung verschaffen. Aus deinen Opfern werden keine Vampire. Du kannst also nicht für eine Fortpflanzung sorgen. Stimmt es?«
Der Halbvampir schrak zusammen, weil die letzten beiden Worte sehr laut gesprochen worden waren. Er wollte eine Antwort geben, aber Justine war noch nicht fertig.
»Dabei bist du nicht der Einzige. Es gibt noch
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