1688 - Der Killer mit den Mandelaugen
die Entführung.«
»Genau.«
Unser Dialog war beendet. Zudem blieben die beiden Frauen vor der Zeltwand stehen. Die Bühne hatten wir bereits passiert, und auch hier gab es einen Ausgang.
Anita Huen half Xing dabei, die Plane zurückzuschlagen. Tageslicht drang uns entgegen, und es bot sich uns auch ein anderes Bild als auf der Vorderseite.
Die Sicht war eingeschränkt, denn vor uns befanden sich mehrere Wohnwagen. Es waren genau drei, und sie standen so, dass sie einen Halbkreis bildeten. So war der Weg zwischen ihnen und dem Ort des Auftritts nicht weit.
Ich hielt Ausschau nach Marcia Gays Wohnmobil.
Wohin ich auch blickte, es war nichts von einem derartigen Fahrzeug zu entdecken, was mich aber nicht weiter wunderte. Wahrscheinlich wollte die Frau so lange wie möglich für sich bleiben.
Wir standen da, warteten, und ich hoffte, dass Anita uns weiterführen würde, als wir sahen, dass sich plötzlich die Türen der Wohnwagen öffneten.
Alles lief ganz normal ab. Es gab keine Hektik, es wurde nichts überstürzt, und man konnte auch nicht davon sprechen, dass es unnormal gewesen wäre.
Trotzdem stieg in mir ein ungutes Gefühl hoch. Es mochte daran liegen, dass sich die Frauengestalten schon umgezogen hatten. Sie alle waren bereits hell geschminkt. Ihre dunklen Haare waren zu kunstvollen Frisuren gesteckt worden. Sie bildeten regelrechte Türme, und in jeden dieser Türme steckten Nadeln, damit die Frisur gehalten wurde. Es war zudem möglich, dass sie Perücken trugen.
Sie verließen den Wagen recht zügig, und als sie auftraten, war kein Laut zu hören. Es waren unterschiedliche Menschen, aber durch die Schminke sahen die Gesichter irgendwie gleich aus. Das mochte auch an den Lippen liegen, die eine violette Farbe aufwiesen.
Lebende Frauen, die mir trotzdem vorkamen, als hätte man sie künstlich hergestellt.
»Was sagst du dazu?«, flüsterte ich Suko zu.
»Willst du meine ehrliche Meinung?«
»Bestimmt.«
»Ich glaube nicht daran, dass wir sie als Freunde oder Verbündete bezeichnen können. Wenn ich mich auf sie konzentriere, habe ich den Eindruck, von einer feindlichen Aura berührt zu werden.«
»Kann man wohl so sagen.«
Auch die letzte Person hatte den Wagen verlassen. Sieben dieser Frauen standen vor uns wie eine aus Leibern bestehende Wand. Sie sagten auch nichts und hielten ihre Lippen geschlossen. Zwar atmeten sie, aber auch das hörten wir nicht.
Ich war es leid, mir Gedanken über sie zu machen, und wandte mich an Anita Huen.
»Sag mal, was hat das zu bedeuten?«
»Sie haben sich für ihren Auftritt fertig gemacht.«
»Das denke ich mir. Aber das ist nicht alles – oder doch?«
»Nein.«
»Und was könnte folgen?«
»Sie mögen euch nicht, denn sie sehen euch als Eindringlinge an. Ich glaube, dass Marcia sie aufgewiegelt hat. Sie ist die Chefin, sie hat die Macht und den Einfluss. Es wird jetzt schwer sein, sie sprechen zu können.«
»Die Frauen sollen uns aufhalten?«
»Deshalb sind sie hier.«
»Hast du das gewusst?«
»Nein, ehrlich nicht. Ich habe es nicht gewusst. Ich habe nur geahnt, dass es nicht so einfach wird. Marcia Gay ist nicht nur mächtig. Sie hat auch Macht über die Tänzerinnen, und sie hatte Zeit genug, die Frauen einzuweihen.«
»Das heißt, wir sollen nicht an sie herankommen.«
»So könnte es sein.«
Auch wenn die sieben Tänzerinnen uns nicht eben als Freunde betrachteten, so hatte ich keine Lust, meinen Plan zu ändern. Ich warf noch einen Blick auf Xing, die rechts neben mir stand. Sie bewegte sich nicht, schien in ihrer eigenen Faszination gefesselt zu sein und hatte nur Augen für die Frauen.
Auch Suko und ich schauten sie uns näher an. Ich konzentrierte mich dabei auf ihre Augen. In ihnen entdeckte ich nichts. Da spiegelte sich kein Gefühl wider. Mir kamen die Blicke irgendwie leer vor.
Und dann geschah etwas, womit keiner von uns gerechnet hatte. Alles wirkte wie einstudiert. Zugleich hoben die sieben Frauen ihre rechten Arme an. Es sah so aus, als wollten sie mit den Händen die Frisuren aufwühlen, was letztendlich nicht geschah, denn sie hatten etwas Besonderes vor. Mit spitzen Fingern fassten sie die Enden der Nadeln an und zogen sie aus ihrem Haar.
Anita Huen flüsterte eine Verwünschung, die ich nicht überhören konnte.
»Was ist los?«
»Die Nadeln, John«, sagte sie und rieb ihre feuchten Hände an der Kleidung ab. »Sie – sie sind tödliche Waffen in ihren Händen …«
***
Shao konnte es nicht fassen, und doch war
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