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170 - Die Scharen der Nacht

170 - Die Scharen der Nacht

Titel: 170 - Die Scharen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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dass wir auf einem Eiland leben … dass die Ehrwürdige Mutter Expeditionen in andere Weltteile schickte, um in Erfahrung zu bringen, wie die Menschen dort lebten, welchen Göttinnen sie huldigten, welche Sitten sie pflegten …
    Mir eröffneten sich neue Welten. Ich brannte darauf, die fantastischen Lande zu sehen, von denen die Schifferinnen erzählten – den unglaublichen Artenreichtum, von dem sie berichteten! In meinen Kopf sah ich von exotischen Pflanzen überwucherte Länder. Meine Fantasie gaukelte mir riesige Städte vor, in denen tausend Menschen und mehr lebten!
    Unser Eiland erschien mir wie ein öder Fleck. Ich wollte übers Meer fahren und alle Dinge sehen, von denen ich gehört hatte.
    Ich lernte. Ich war fleißig. Ich ließ keinen Unterricht aus.
    Ich blätterte in den Folianten aus der alten Zeit. Ich lernte die Namen von Inseln und Völkern. Ich lernte sehr viele Dinge.
    Einige Tage bevor wir ablegten, rief mich die Ehrwürdige Mutter zu sich und sagte: »Die Kristallene Göttin muss prüfen, ob du für ihre Garde geeignet bist.«
    »Ich kann doch kämpfen.«
    Die Ehrwürdige lächelte. »Wer in die Garde will, muss mehr können.«
    »Zum Beispiel?«
    »Verstehen.«
    »Und was?«
    »Was die Kristallene Göttin sagt.«
    Es war mir gleichgültig, wer mir den Befehl gab, Taratzen zu erschlagen. Ich wollte eine Tapfere Schwester sein wie meine Vorbilder Marnee, Orlee und Tuanee. Ich wollte sein wie sie: hart, loyal und liebevoll.
    Ihre Religion interessierte mich nicht. Meiner Meinung nach war ich über so etwas erhaben.
    Ich gestattete mir die unverschämte Frage, wozu eine Göttin eine Leibgarde brauchte.
    »Sie braucht keine Leibgarde«, erwiderte die Ehrwürdige gelassen. »Die Kristallene Göttin kann sich sehr gut selbst schützen.« Ihr Blick durchbohrte mich. »Doch sie braucht fähige und entschlossene Kriegerinnen, die den Wagen lenken können, mit dem sie sich auf die lange Reise in den Norden begibt; Kriegerinnen, die sofort reagieren, wenn sie das Wort an sie richtet…«
    Die Vorstellung, die Kristallene Göttin könnte das Wort an mich, eine Sterbliche richten, kam mir so blasphemisch vor, dass ich an der geistigen Gesundheit der Ehrwürdigen zweifelte.
    »Die Göttin reist in den Norden ?«, fragte ich verdutzt.
    »Oh, ja.« Die Ehrwürdige Mutter gab mir zu verstehen, dass dies der Wunsch der Göttin sei. Inzwischen hätte sie ihr offenbart, dass die rasante Vermehrung der Taratzen die Folge einer Veränderung im hohen Norden war: Eine Explosion hatte Unmengen von Erde in die Luft geschleudert, fast wie bei der Katastrophe, die vor fünf Jahrhunderten die Welt ins Chaos gestürzt hatte. Gleichzeitig sei auf diesem unserem Eiland etwas erwacht, das die Göttin als Gefahr einstufte.
    »Wir sollen sie also in Sicherheit bringen?«, fragte ich verdutzt. Wie konnte es sein, dass die Göttin vor etwas floh?
    Doch die Ehrwürdige Mutter verneinte, nicht ohne Strenge in der Stimme. »Im Norden gibt es weitere Götter«, sagte sie.
    »Mit ihnen will die Kristallene sich treffen, um sie zu unterrichten und sich zu beraten. Sie dorthin zu bringen ist nun das höchste Ziel des Ordens und der Tapferen Schwestern.«
    Ich war verwirrt und sprachlos. Weitere Götter im Norden?
    Dann gehörte unsere Göttin also einem Volk an wie wir?
    Doch ich kam nicht dazu, meiner Verwirrung Ausdruck zu verleihen, denn gleich darauf betrat die Tapfere Schwester Yoalee das Büro der Ehrwürdigen und die beiden begleiteten mich in den Ostturm.
    Keine der Tapferen Schwestern, mit denen ich befreundet oder verbunden war, hatte in meiner Gegenwart je ein Wort über eine Prüfung verloren. Später erfuhr ich, dass man sie verschwieg, um uns nicht zu ängstigen.
    Nun ja, vermutlich hätte jedes Mädchen mit Erschrecken reagiert, wenn man ihm gesagt hätte, es werde gleich mit der Göttin sprechen…
    ***
    Aruula erwachte in der Nacht.
    Lauer Wind fegte durch das offene Fenster des Gästehauses und ließ die Vorhänge flattern.
    Sie hob den Kopf. Der Mond erschien ihr in dieser Nacht größer als üblich. Lag es daran, dass sie ihm hier oben viel näher war?
    Die Hängematte neben ihr war verlassen. Aruula wartete, bis sich ihre Augen ans Zwielicht gewöhnt hatten, dann setzte sie sich hin und nahm den gesamten Raum in Augenschein.
    Zuerst nahm sie an, Suúna habe die Hütte nur verlassen, um einem menschlichen Bedürfnis nachzugehen. Dann sah sie, dass auch ihre Waffen und der Rucksack weg waren.
    »Meerdu…« Aruula

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