1715 - Gewächs des Grauens
Grünliche und war zudem zusammengeschrumpft.
Hier zeigte der Mystiker Isidor sein wahres Gesicht. Es war grauenvoll anzusehen. In den Pupillen glitzerte ein bösartiges Licht. Gelb und Rot vermischten sich miteinander.
Das war kein Gesicht mehr, das war eine Fratze, zu der auch das Haar passte. Grau wie Asche sahen die Strähnen aus, aber dazwischen war auch ein dunkles Rot zu sehen, als hätte jemand Farbe dagegen geklatscht.
Jetzt fehlte nur noch der Gestank. Das Zeichen der Verwesung und auch der Nebel.
So sehr Jane Collins auch damit rechnete, sie roch nichts, und sie atmete auf, obwohl sie auf das schreckliche Gesicht starrte. Hier liefen die Dinge anders. Sie entdeckte auch weiterhin keine Verfolger, und Jane fragte sich, ob sie aufgegeben hatten oder schon am Zielort lauerten.
Jane wollte sich die Fratze nicht mehr länger ansehen. Das normale Gesicht kehrte nicht wieder zurück, und so schlang sie das Tuch und das Packpapier um die Ikone.
Sie lehnte sich zurück und gab ein leises Stöhnen von sich, das auch dem Fahrer nicht entging. »Ist etwas mit Ihnen?«
»Nein, nein, ist schon okay.«
Er ließ nicht locker. »Aber Sie sehen blass aus. Das war beim Einstieg in den Wagen nicht so.«
»Kann sein. Aber Sie müssen sich wirklich keine Gedanken machen. Ich bin schon okay.«
»Gut, wenn Sie das sagen. Aber sollte Ihnen übel werden, geben Sie früh genug Bescheid, damit ich anhalten kann.«
»Keine Sorge, das werde ich.«
»Nun ja, wir sind ja auch gleich da. Kann sich nur noch um Stunden handeln.« Er lachte über seine Bemerkung.
Jane lächelte nur. Sie schaute sich die Gegend an und musste zugeben, dass sie neu für sie war. Hierher hatte es die Detektivin noch nicht verschlagen. Aber man entdeckte in London eben immer wieder neue Ecken und Plätze.
Nachdem der Fahrer in eine schmalere Straße eingebogen war, erkannte sie die kleine Siedlung, in der sich die Häuser glichen und nur die Kirche mit ihrem nicht sehr hohen Turm die berühmte Ausnahme bildete.
»Es reicht, Sie können hier halten.«
»Wie Sie wollen, Lady.« Der Taxifahrer grinste und nannte den Preis. Jane zahlte ihn, gab noch ein Trinkgeld, dann stieg sie aus dem Fahrzeug.
Im Wagen war es warm gewesen. Draußen fror sie, was nicht allein an den Temperaturen lag, denn sie spürte auch eine innere Kälte in sich.
Der Fahrer fuhr einen Bogen und war wenig später verschwunden.
Jane hatte erwartet, von John Sinclair begrüßt zu werden. Er war nirgends zu sehen.
Aber sie sah auch keine Menschen, die sie als Feinde hätte einstufen können.
Wohin?
Jane drehte sich auf der Stelle. Die eingepackte Ikone hatte sie wieder unter ihren linken Arm eingeklemmt. Sie blieb auch weiterhin stehen und wartete darauf, angesprochen zu werden, was nicht geschah, denn niemand trat aus der Kirche, und auch dort, wo die Häuser standen, war niemand zu sehen.
Obwohl die Umgebung sehr eintönig aussah, wirkte alles sehr gepflegt. Da lag nichts auf der Straße herum, und auch die Rasenflächen zwischen den Wegen sahen selbst im Winter gepflegt aus.
Warum kam niemand? Wo hielt sich John Sinclair auf?
Als einzigen Vorteil sah sie an, dass sich auch die Verfolger zurückhielten. Aber es gab auch die Möglichkeit, dass sie schon da waren, und das konnte ihr gar nicht gefallen.
Jane Collins war klar, dass sie etwas tun musste. Sie konnte nicht ewig darauf warten, dass sich was tat.
Die Kirche reizte sie schon, aber Jane traute sich nicht, sie zu betreten. Aber sie musste mit jemandem sprechen. Und so ging sie auf das erste Haus zu, das wie alle anderen vier Stockwerke aufwies.
Zwar ließ sich kein Mensch blicken, aber Jane bemerkte schon, dass sich die eine oder andere Gardine hinter den Fensterscheiben bewegte. Man verfolgte also ihren Weg.
Die Haustür war geschlossen. Jane hatte es auch nicht anders erwartet. Sie fand ein Klingelbrett, und es war ihr egal, wo sie drückte. Allerdings tat sie es im unteren Bereich.
Niemand öffnete.
Jane wollte es woanders versuchen, als rechts neben der Haustür ein Fenster geöffnet wurde. Ein Mann mittleren Alters beugte sich nach draußen. Sein Gesicht zeigte einen angespannten Ausdruck. Die Augen waren leicht verengt.
»Was wollen Sie?«
Jane setzte ihr bestes Lächeln auf. »Ich muss mich für die Störung bei Ihnen entschuldigen, aber ich habe hier eine Verabredung mit Bischof Aldo Makarew. Können Sie mir vielleicht sagen, wo ich ihn finden kann?«
»Hier nicht.«
»Das habe ich mir gedacht. Kann
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