1734 - Hexenhand
vergessen, wurde allerdings recht schnell wieder an ihn erinnert, als er mich von unten her ansprach.
»Bist du John Sinclair?«
Nach dieser schlichten Frage klingelten in mir die Alarmglocken. »Wer will das wissen?«
»Ich.«
»Und warum?«
Der junge Mann grinste. »Weil man mir Geld dafür gegeben hat, um dir einen Gruß zu bestellen.«
Ich ahnte Schlimmes, fragte aber trotzdem nach. »Und wer ist das gewesen?«
»Eine Frau. Sie heißt Sandrine, und sie meinte, dass du sie kennen würdest.«
Auch Suko hatte jetzt große Ohren bekommen. Er überließ mir jedoch den Vortritt.
»Und wo ist das passiert?«
»Auf dem Bahnsteig. Kurz vor dem Einsteigen.«
Es wurde immer schlimmer. »Und diese Sandrine? Ist sie ebenfalls eingestiegen?«
Er überlegte. »Das weiß ich nicht. Alles ging so schnell. Ich jedenfalls habe meinen Job getan.«
Ich wollte eine Beschreibung haben und erfuhr, dass die Frau eine Lederjacke getragen hatte.
Es gab keinen Zweifel. Sie war uns auf der Spur. Vielleicht hielt sie sich sogar in unserem Wagen auf. Zu sehen war sie nicht. Zu viele Fahrgäste versperrten Suko und mir die Sicht.
Wir diskutierten darüber, ob wir uns nach vorn durcharbeiten sollten, da wurde der Zug bereits langsamer und rollte in die Station ein, die hinter den nicht eben sauberen Scheiben etwas verschwommen wirkte.
Wir standen.
Der Informant hockte nach wie vor auf dem Boden und hielt den Kopf gesenkt. Vor uns stiegen die Menschen ein und aus. Es gab jetzt einige Lücken, die dafür sorgten, dass wir weiter in den Wagen schauen konnten.
Obwohl ich mich auf die Zehenspitzen gestellt hatte, sah ich diese Frau nicht.
Dann schlossen sich die Türen wieder und wenig später nahm die U-Bahn Fahrt auf. An der nächsten Station mussten wir raus. Wenn sich mein Verdacht bestätigte, was ich nicht hoffte, musste diese grausame Person auf dem letzten Teilstück ihre furchtbaren Zeichen setzen.
Suko sah mir an, dass ich mich gedanklich mit einem Plan beschäftigte.
»Was hast du vor?«
»Ich will nach vorn durch. Ich muss wissen, ob Sandrine hier in der Nähe ist. Wenn möglich, dann will ich ihr zuvorkommen und sie stoppen.«
Suko überlegte nicht lange. »Okay, ich halte hier die Stellung.«
»Super.«
Der Wagen war voll. Normal konnte ich nicht gehen. Menschen auszuweichen war auch nicht möglich. Ich drängte mich an ihnen vorbei und erntete manch pampige Bemerkung, die ich allerdings überhörte oder mit einem Lächeln quittierte.
Noch fuhren wir. Die Wände des Tunnels huschten wie gespenstische Schatten vorbei. Der Wagen fuhr nicht glatt. Er rumpelte, er schwang hin und her, und ich stieß auf meinem Weg immer wieder gegen andere Fahrgäste. Dabei nahm ich auch die verschiedenen Gerüche auf, die sich in der stickigen Luft ausbreiteten.
Es war wie ein Gefängnis. Zumindest für mich. So hatte ich die Fahrt mit der Tube eigentlich nie empfunden, aber an diesem Tag war es so. Es mochte auch daran liegen, dass ein gewaltiger Druck auf mir lastete.
Es gab einen mörderischen Feind. Leider sah ich ihn nicht, denn noch immer war mir die Sicht versperrt.
Ich war nur froh darüber, dass wir zu einer normalen Tageszeit fuhren. In den späten Abendstunden sah dies oft anders aus. Da rollte dann ein Publikum durch die Stadt, das leicht aggressiv war. Hier erntete ich nur Blicke.
Die Hälfte hatte ich geschafft. Noch immer war nichts von einer Frau in einer Lederjacke zu sehen. Es konnte auch sein, dass man uns reingelegt hatte. Aber die Möglichkeit bestand kaum, wenn ich daran dachte, was im Kaufhaus passiert war.
Sie hielt mich oder in diesem Fall uns unter Kontrolle, und ich kannte noch immer nicht den Grund, warum ich auf der Liste dieser Person stand. Irgendetwas musste sie mit mir erlebt haben, an das ich mich nicht erinnern konnte. War ich ihr schon mal begegnet? Wenn ja, dann hatte ich sie vergessen. Außerdem musste die Begegnung nicht so prägnant gewesen sein.
Egal, darauf konnte und wollte ich nicht bauen. Was passiert war, das war passiert. Ich musste nach vorn schauen und mich auf die nahe Zukunft konzentrieren.
Eine relativ kurze Strecke in einem Wagen wie diesem kann ziemlich lang werden. Das stellte ich mit jedem Schritt fest. Ich hatte manchmal den Eindruck, zu stehen und einfach nicht weiterzukommen. Das war verrückt, aber der Mensch reagiert nun mal so. Und der Gedanke daran, dass plötzlich Menschen hier brennen konnten, trug nicht dazu bei, meine Laune zu steigern.
Wo steckte
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