175 - Ich - Coco Zamis
Novizin, die eigentlich Nonne hatte werden wollen. Dann war sie todkrank gewesen. Jetzt küßten sie sich in immer glühender Leidenschaft. Die Umwelt versank für sie, und sie merkten erst wieder auf, als sich der struppige Rupprechten zum wiederholten Mal geräuspert hatte.
In dieser Nacht liebten sich Matthias und Genevieve zum ersten Mal. Sie schlossen kein Auge und konnten nicht genug voneinander bekommen. Der grauende Morgen fand sie eng aneinandergeschmiegt. Matthias war es, als ob er noch nie zuvor richtig mit einer Frau geschlafen hätte. Selbst die Erinnerung an Libussa verblaßte, und mit Matthias' sonstigen Beischläferinnen war Genevieve so wenig zu vergleichen wie der Lichtreflex in einem Spiegel mit der strahlenden Sonne.
Genevieve war bildschön. Sie hatte keinerlei Makel. Matthias war für sie der erste Mann, mit dem sie die Liebe erlebte, und ein Idol. Ein strahlender blonder Reiter, stark, doch auch zärtlich, liebenswürdig und rücksichtsvoll, so sah sie ihn in ihrem Herzen.
Die Liebesnacht zauberte ein Leuchten in Genevieves ebenso wie in Matthias' strahlendblaue Augen, das nicht mehr erlöschen sollte, solange sie lebte. Matthias wieder, dem die Greuel und Schrecken des Krieges schon in die Seele hatten dringen wollen, um sie zu vergiften, konnte sich an dieser Liebe aufrichten. Sie sollte sein kostbarster Schatz sein und bleiben, und er bereute nie, daß er dafür den Pakt mit den Töchtern Asmodis und allem, was sie ihm boten, ausgeschlagen hatte.
Genevieve war die Sonne in Matthias' Leben, und mit ihr begann in einer finsteren, blutigen Zeit ein strahlender schöner Tag. Nie sprach er anders von Genevieve als mit herzlicher Liebe. Sie aber bewunderte ihn rückhaltlos und hätte ihr Leben für ihn hingegeben.
Die beiden verließen den Köhler bald, um weiter nach Schloß Mummelsee im Schwarzwald zu reiten. Rupprecht erhielt das versprochene Pferd als Bezahlung. Er weinte beim Abschied und küßte Genevieve immer wieder die Hand.
„Ihr seid so ein schönes Paar", sagte er ein ums andere Mal. „Der Segen des Himmels möge euch alle Tage eures Lebens begleiten, und eure Liebe möge niemals vergehen. Ich wünsche euch alles, alles Gute."
Für Matthias und Genevieve war die Reise nach Schloß Mummelsee wie eine Reise ins Glück.
Trotz aller Gefahren und der Zustände im Land hatten sie eine herrliche Zeit. Sie ließen sich Zeit für die Reise, und wenn es ihnen irgendwo gefiel, blieben sie eine Weile.
Matthias hatte nur noch Genevieve im Sinn und Genevieve Matthias. Wenn sie nur eine halbe Stunde getrennt waren, litten sie schon. Hätte Genevieve von Matthias verlangt, ihr die Sterne vom Himmel zu holen, er wäre sofort auf sein Pferd gestiegen und hätte es versucht.
Die beiden lebten nur füreinander und für ihre Liebe. Ein gütiges Geschick bewahrte sie während dieser Wochen vor schlimmen Anfechtungen von menschlicher oder dämonischer Seite. Nur einmal, in einem vornehmen Gasthof im Schwäbischen, hatte Matthias ein Erlebnis, das ihm zu denken gab. Mittlerweile war es Mai geworden. Die Tage und Nächte waren den Verliebten wie im Flug verstrichen.
Man saß bei der Mittagstafel im Freien. Genevieve war geistesabwesend. Die Weinkaraffe stand auf der Fensterbank im Schatten. Genevieve schaute sie an, bewegte die Finger - und plötzlich schwebte die Karaffe vor den Augen des verdutzten Matthias zum Tisch und goß freischwebend Rotwein in sein und Genevieves Glas. Es gab dafür keine weiteren Zeugen.
Matthias erstarrte. Genevieve war blutrot im Gesicht geworden. Die Karaffe fiel herunter und ergoß ihren Inhalt aufs Tischtuch. Matthias hob die noch heile Karaffe auf und tupfte die Weinpfütze mit der Serviette auf.
„Wie konnte das geschehen, Liebste?" fragte er. „Hast du das veranlaßt?"
„Ich… ich wünschte mir nur noch einen Schluck Wein", stammelte Genevieve. „Da passierte es. Es war keine Absicht, Matthias, ich schwöre es."
„Hast du schon öfter derlei bewirkt?" fragte Matthias befremdet.
„Im Kloster ist es mir gelegentlich passiert", antwortete Genevieve. „Da tanzten wohl Messer und Gabeln in der Luft. Einmal habe ich beim Abendmahl die Hostie zum Schweben gebracht, was im Kloster einen beträchtlichen Tumult hervorrief. Und bei einer anderen Gelegenheit, als ich einen fetten Kater eine Amsel beschleichen sah, verwünschte ich ihn, und er gebärdete sich plötzlich wie rasend und raste jaulend durch den Klostergarten, wie von einer Hornisse
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