Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
179 - Gefangene der Traumzeit

179 - Gefangene der Traumzeit

Titel: 179 - Gefangene der Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
Vom Netzwerk:
Aruula schaute ihn verdutzt an. Seine rechte Hand lag auf ihrer Taille und streichelte ihr Fleisch.
    Babys Worte fielen ihr ein: »Manche Kerle sollen ja auf so was stehen.«
    »Wo sind wir hier, Wolfram?« Sie schaute sich interessiert um. Die umhegenden Häuser waren hoch, die meisten Fenster dunkel.
    »Hofaue«, erwiderte Wolfram. »Gehören Sie zu den Eingeflogenen? Mein Sturm feiert den Geburtstag des Führers. Wir sind dieses Jahr ein paar Mann mehr als sonst.« Er lachte leise und deutete auf die rot erhellten Fenster, hinter denen Gläser klirrten. »Warum sind Sie aus dem Haus gegangen, Gnädigste? Um frische Luft zu schnappen?« Wolfram kramte in den Taschen seines außerordentlich gut sitzenden Jacketts, entnahm ihr ein silbernes Etui und ließ es aufschnappen.
    In dem Etui lagen zehn unglaublich sauber gerollte Kiffetten.
    Ein elastisches Band hinderte sie am Herausfallen. Aruula war fasziniert über diese Ordnung.
    Wolfram hielt ihr das Etui hin. Es war mit Buchstaben beschriftet. ECKSTEIN.
    Was geht hier nur vor? , dachte sie. Und warum sagt jeder
    »Gnädigste« zu mir?
    Im Schein einer kleinen Feuermaschine, die Wolfram aus der Tasche zog, schaute sie ihn an. »Ja, frische Luft.« Ihr wurde klar, dass sie das Haus nicht betreten durfte, in dessen Tür sie standen: Niemand kannte sie dort.
    Doch Wolframs Reaktion hatte ihr gesagt, dass sie sich in ihrer Kleidung im Freien nicht zeigen durfte… Aruula verstieß nicht zum ersten Mal gegen örtliche Sitten. Sie hatte schon mehrmals Ärger gehabt und manch dreistem Kerl eine Lehre erteilen müssen.
    In Provinzkaffs war dergleichen in Ordnung. Dort galt das Recht des Stärkeren. Doch dies hier war eine Metropole, die wahrscheinlich noch größer war als Landán, Waashton oder Moska. In Metropolen funktionierte die Verwaltung. Hier waren die Gesetze auf Papier geschrieben.
    In Stadtmolochen, in denen tausend Menschen und mehr lebten, musste man wohl gewisse Regeln haben…
    »Wohin gehen wir?«
    »Mann!« Wolfram schaute begeistert auf. »Sie sind ja von der schnellen Truppe, Gnädigste! Luftwaffe, hm?« Er lächelte.
    »Mein Wagen steht gleich neben an der Einfahrt! Ich fahre einen Benz!«
    Aruula schloss sich ihm an. Sie huschten in ein dunkles Fahrzeug. Wolfram warf ihr einen dünnen schwarzen Umhang zu und bat sie, in anzulegen.
    Dann bediente er rätselhafte Hebel. Seine Kutsche erwachte hustend zum Leben. Aruula wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Der Weiße Ritter hatte gesagt, sie solle sich in Prüfungen bewähren. Nun saß er neben ihr, tat so, als hätte er sie noch nie gesehen, und nannte sich Wolfram. Nun, er würde seine Gründe haben.
    Seit ihrer ersten Begegnung hatte sie keine Sonne mehr gesehen. Herrschte in dieser Welt immerwährende Dunkelheit?
    Aruula schaute stirnrunzelnd durch eine Glasscheibe hinaus.
    Die Einfahrt lag schon hinter ihnen. Wolfram bog auf die dunkle Straße ab. Was für ein Land! Alle Fenster waren verdunkelt. Wohnte denn hier niemand?
    Die Straße war nicht lang. Ihr Ende mündete in einer Explosion aus Licht, das aus allen Richtungen kam. Dann ging es ein Stück bergauf. Rechts und links tobte das Leben. Vor ihnen setzte sich mit Rauch und Geschnauf einer der Eisenbahnzüge in Bewegung, die sie aus dem Osten kannte.
    Der Stadtlärm quälte ihr Gehör. Der Gestank war ätzend.
    Dutzende zugtierloser Gefährte waren auf Pflasterstraßen unterwegs. Viele Fahrer – die meisten trugen Uniform – winkten einander zu, als gehörten sie einer Zunft an. Es waren auch sehr viele Menschen zu Fuß unterwegs; die meisten Männer, aber es gab auch Paare. Hier waren offenbar nur die Uniformierten bewaffnet. Wie eigenartig.
    »Ist dies die Welt der ewigen Nacht?«
    »Was?« Wolfram schaute sie verdutzt an. Schon krachte es: Er war gegen eine Kutsche gefahren, die am Straßenrand stand. Deren Besitzer, ein dicker Uniformierter mit goldenen Sternen auf den Schultern und roten Kragenspiegeln, sprang heraus und brüllte wie ein Izeekepir los.
    Wolfram murmelte eine Verwünschung, hielt seine Kutsche an und stieg aus. Er knallte die Hacken zusammen. Der Dicke brüllte auf ihn ein, bis er kleiner wurde. Menschen blieben stehen. Eine Traube bildete sich. Eine grüne Kutsche hielt an.
    Zwei Uniformierte mit schwarzen Lackhelmen sprangen heraus, knallten die Hacken zusammen – und wurden ebenfalls angebrüllt.
    »Jawoll, Herr Generaloberst!«, schrien sie im Chor, die Hände an der Hosennaht. »Jawoll! Jawoll!«
    Aruula stieg aus.

Weitere Kostenlose Bücher