Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
Vom Netzwerk:
ein, wie eif­rig Sa­re­va sich be­müht hat­te, mich da­zu zu brin­gen, we­ni­ger zu rau­chen. Ich be­mit­lei­de­te mich noch im­mer selbst, weil mei­ne Frau nicht zu Hau­se ge­we­sen war, als ich das gol­de­ne Vlies heim­ge­bracht hat­te, aber jetzt hat­te ich noch da­zu ein schlech­tes Ge­wis­sen.
    Des­halb tat ich et­was Un­ge­wöhn­li­ches: Ob­wohl ich mir dar­über im kla­ren war, daß ich da­mit auch mich selbst be­trog, ging ich mit den bei­den Aschen­be­chern in die Kü­che und stell­te sie ne­ben dem Müll­ei­mer ab. Dann such­te ich einen Müll­beu­tel her­aus und be­gann, einen Teil des Mülls aus dem Ei­mer zu ho­len. Ich woll­te na­tür­lich die meis­ten Zi­ga­ret­ten­stum­mel und die meis­te Asche in den Müll­ei­mer kip­pen und mit Ab­fäl­len zu­de­cken.
    In der Pfir­sich­büch­se klap­per­te et­was. Ich run­zel­te die Stirn, als ich sah, daß der De­ckel nicht ganz auf­ge­trennt und spä­ter wie­der zu­rück­ge­klappt wor­den war. Ich hat­te ei­gent­lich kei­nen Grund, ihn hoch­zu­bie­gen und mir da­bei auch noch in den Fin­ger zu schnei­den. Das war rei­ne Neu­gier.
    In der Kon­ser­ven­do­se fand ich ei­ne klei­ne Ton­fi­gur: ei­ne merk­wür­di­ge klei­ne Ge­stalt mit Schmer­bauch, sorg­fäl­tig her­aus­ge­ar­bei­te­ter Bril­le und alt­mo­di­scher Flie­ge. Auf ih­rer Brust war der Na­me wie mit ei­ner Na­del ein­ge­kratzt: F. Ed­win Mar­schak. In die lin­ke Brust­sei­te war ein Herz ein­ge­ritzt.
    Viel­leicht mit der glei­chen Na­del, die in dem Her­zen steck­te.
    Ich will nicht be­haup­ten, daß ich mir bei die­sem An­blick nichts oder nur we­nig ge­dacht ha­be. An­de­rer­seits war ich weit da­von ent­fernt, aus die­sem Fund Rück­schlüs­se auf Mar­schaks Tod zu zie­hen. Voo­doo? Das war doch all­zu un­wahr­schein­lich!
    Ich blieb auf dem Kü­chen­fuß­bo­den hocken, be­trach­te­te die klei­ne Ton­fi­gur oder starr­te sie viel­mehr an und dach­te lan­ge an­ge­strengt nach. Schließ­lich fiel mir wie­der ein, wo ich war und was ich hier woll­te. Ich leer­te einen Aschen­be­cher in den Müll­ei­mer, kipp­te die her­aus­ge­nom­me­nen Ab­fäl­le dar­auf und fal­te­te den an­de­ren Müll­beu­tel zu­sam­men. Als ich ihn seit­lich in den Ab­fall­ei­mer stopf­te, frag­te ich mich, warum ich das nicht gleich mit den Zi­ga­ret­ten­stum­meln und der Asche ge­tan hat­te.
    Die Pfir­sich­büch­se blieb oben­auf lie­gen. Ich ließ den De­ckel zu­fal­len, ver­teil­te den In­halt des zwei­ten Aschen­be­chers und ging da­mit ins Wohn­zim­mer zu­rück. Dort stell­te ich die Mar­schak-Fi­gur auf den Sims un­se­res rein de­ko­ra­ti­ven of­fe­nen Ka­mins.
    Dann setz­te ich mich hin und mach­te mei­ne Ar­beit wie­der zu­nich­te, in­dem ich ei­ne Zi­ga­ret­te nach der an­de­ren rauch­te, bis Sa­re­va kurz nach ein Uhr nach Hau­se kam.
    »Oh, du bist noch auf? Aber du hast dich ja nicht ein­mal um­ge­zo­gen, Liebs­ter!« Sie schritt auf mich zu, denn sie ging nie, mei­ne lang­bei­ni­ge, rot­haa­ri­ge, grün­äu­gi­ge Frau: Sa­re­va schritt. »Hmm«, mein­te sie lä­chelnd, »als ich die Fla­sche zu­letzt ge­se­hen ha­be, war sie noch ganz voll. Und … oh, By­ron! So vie­le Zi­ga­ret­ten!«
    Sie mein­te na­tür­lich nicht Zi­ga­ret­ten, sie sprach von den zahl­lo­sen Stum­meln in dem großen Aschen­be­cher auf dem Couch­tisch.
    »Na, wie war’s beim He­xensab­bat?« er­kun­dig­te ich mich lä­chelnd.
    Ich wer­de mir mein Le­ben lang wün­schen, ich hät­te die­se Fra­ge nie ge­stellt. Ich glaub­te es nicht wirk­lich. Nicht rich­tig. Man kann man­che Din­ge halb­wegs glau­ben, man kann Mut­ma­ßun­gen dar­über an­stel­len und so­gar sei­ner Fan­ta­sie frei­en Lauf las­sen. Aber ganz rich­tig glaubt man eben doch nicht dar­an.
    Sa­re­va hol­te er­schro­cken tief Luft, und ih­re Som­mer­spros­sen schie­nen plötz­lich zu leuch­ten, weil sie lei­chen­blaß ge­wor­den war. Und ih­re grü­nen Au­gen wur­den rie­sig.
    Wir starr­ten uns an – ich in mei­nem be­que­men Ses­sel, den wir ge­mein­sam ge­kauft hat­ten, nach­dem ich zum Vi­ze­prä­si­den­ten be­för­dert wor­den war, und sie vor mir ste­hend, ei­ne schlan­ke wei­ße Hand an dem

Weitere Kostenlose Bücher