18 Gänsehaut Stories
machen.
»Dämonen!« stieß er mit zitternden Lippen hervor. »Ihr seid alle Dämonen!«
Er begann zu schreien und sank in die Knie. Der Schmerz zuckte durch seine Beine, als sie einknickten und er lang am Boden lag, genau vor Valeries Füßen. Sie saß immer noch auf der niedrigen Steinmauer und sah auf ihn herab.
»Gnade!« wisperte er mit versagender Stimme. »Val … bitte …«
Sie lachte spöttisch.
Es war dieses Lachen, das den Rest seiner Lebensglut neu anfachte und ihm die Kraft gab, sich noch einmal aufzurichten. Mit beiden Händen griff er nach ihren Füßen und hob sie an. Er ignorierte die furchtbaren Schmerzen im Rücken und richtete sich auf, ohne Valeries Füße loszulassen. Er hörte, wie sie entsetzt aufschrie, und dann wurden ihm ihre Füße von einem heftigen Ruck aus den Händen gerissen.
Valeries Schrei kam plötzlich aus weiter Ferne und riß jäh ab. Bob fiel kraftlos auf den Rücken. Er sah, daß der Platz, wo Valerie gesessen hatte, leer war. In dem Augenblick, in dem sie unten auf der Straße aufschlug, fühlte er ihren Schmerz. Irgend etwas in ihm zerriß wie ein überspannter Bogen, dann verlor er das Bewußtsein.
Als er eine halbe Stunde später erwachte, war er kräftig genug, um aufzustehen. Sein Anzug paßte ihm wieder. Im Spiegel der Garderobe sah er, daß seine Haare nicht mehr weiß waren, und auch die Zahnschmerzen waren verschwunden. Noch nie hatte er sich so wohl gefühlt.
Schnell glitt der Lift nach unten.
Draußen auf der Straße flutete der Nachtverkehr. Hier unten war es heller als oben unter dem Dach des Hochhauses. Die Leuchtreklamen verdrängten den Mond und tauchten Straße und Bürgersteig in eine grelle Lichtflut.
Bob suchte den zerschmetterten Körper Valeries, aber er fand ihn nicht. Er fand auch keine Blutspuren, sondern nur ein Bündel verschmutzter Kleider. Es lag direkt in der Gosse neben einem Gulli.
Er bückte sich.
Es waren die Sachen, die Valerie eben noch angehabt hatte.
Als er sich wieder erhob, streiften seine Füße den grauen Staub der Gosse. Er wirbelte auf und drang in seine Nase.
Er roch modrig und alt.
Sehr alt.
Die Witwe vom Belgrave Square
von
Lewis Hammond
Lewis Hammond (1861-1940) war ein englischer Arzt und Versicherungsmathematiker, der sich in jungen Jahren gelegentlich als Erzähler versuchte und hin und wieder bei Zeitschriften mitarbeitete. Eine Sammlung seiner Kurzgeschichten liegt nicht vor. 1940 kam Hammond in London bei einem Luftangriff ums Leben.
Sir Neville Hulme, langjähriger Direktor der Sternwarte von Greenwich, war zweifellos einer unserer bedeutendsten Astronomen, und seine Forschungen auf dem Gebiet der novae fanden ja auch internationale Anerkennung. Aber was immer die Sterne ihm auch verraten haben mochten – über seine eigene Zukunft hatten sie ihm nichts erzählt, sonst hätte er es wohl nicht gewagt, noch im Alter von achtundfünfzig Jahren einen neuen Hausstand zu begründen, und zwar mit der beinahe vierzig Jahre jüngeren Jane Burleigh aus der wallisischen Linie der bekannten Familie.
Die Hochzeit des berühmten Gelehrten, der eine große, schlanke und eindrucksvolle Erscheinung war, mit der auffallend schönen Jane, einem Mädchen keltischen Typs mit roten Haaren, grünen Augen und jener sinnlichen Fülle, wie sie nur noch westlich des Severn vorkommt, verdrängte für einen Tag sogar die Nachrichten von der Weltausstellung in Chicago vom gewohnten Platz, und ganz London beneidete Sir Neville um dieses prachtvolle Geschöpf.
Aber dieses Glück währte eben nicht lange. War es die Notwendigkeit, seine Nächte zwischen den novae und Lady Jane zu teilen, oder war es ganz einfach die natürliche Erschöpfung des Leibes nach
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