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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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der Ci­ty hat­te er­rich­ten las­sen.
    Ich ver­such­te zu spre­chen, konn­te es aber nicht; die Zun­ge schi­en mir am Gau­men fest­ge­klebt zu sein; und auch mein Ge­sichts­sinn trüb­te sich jetzt; ich konn­te die sche­men­haf­ten, düs­te­ren Ge­stal­ten um mich her­um kaum noch er­ken­nen.
    Dann faß­te je­mand mein Hand­ge­lenk, und ich hör­te den Be­tref­fen­den ganz deut­lich sa­gen:
    »Mit dem hier geht es jetzt zu En­de.«
    Plötz­lich schi­en es mir, als ob sich ir­gend et­was mit er­drücken­der Kraft auf mei­ne Brust senk­te, und ich war mir dumpf be­wußt, daß ich ver­zwei­felt nach Atem rang; dann glaub­te ich, ich be­fän­de mich auf dem Grund des Mee­res. Einen Mo­ment, wirk­lich nur einen Mo­ment lang, spür­te ich ei­ne schreck­li­che To­des­qual, und dann kam da ein zi­schen­des Ge­räusch wie das Rau­schen von Was­ser, wo­nach ich ganz deut­lich spür­te, daß ich von je­man­dem auf den Ar­men hoch­ge­ho­ben wur­de. Ich wur­de dann wie­der hin­ge­legt, und mei­ne Glie­der fühl­ten sich taub und kalt an; ein hef­ti­ger Krampf durch­lief mei­nen gan­zen Kör­per; ich schlug die Au­gen auf und fand mich im Frei­en lie­gend wie­der, ne­ben ei­nem frisch aus­ge­ho­be­nen Grab.
    Der Voll­mond stand hoch am Him­mel, und sei­ne küh­len Strah­len fie­len auf mein Ge­sicht. Ei­ne Stim­me klang mir in den Oh­ren, ei­ne tie­fe und fei­er­li­che Stim­me; schmerz­lich deut­lich war je­des Wort, das sie sprach.
    »Mor­ti­mer«, sag­te sie, denn das war mein Na­me, »Mor­ti­mer, in dei­nem Le­ben hast du ei­ne Tat be­gan­gen, die dich ein für al­le­mal der Hoff­nung be­raubt, daß man sich an ir­gend et­was aus die­sem dei­nem Le­ben in je­ner Welt, die nach dem To­de kommt, zu dei­nem Vor­teil er­in­nern wird. Du hast den rei­nen Quell der Gna­de ver­gif­tet, und auf je­man­den wie dich kann nie­mals auch nur ein Schim­mer der Groß­zü­gig­keit und Ver­ge­bung des Him­mels fal­len. Mör­der, Mör­der je­nes We­sens, das dir vom großen Schöp­fer zur un­ver­letz­li­chen Ob­hut an­ver­traut war, le­be hin­fort als für im­mer ver­flucht. Sei dir selbst ei­ne Wi­der­wär­tig­keit und ein Ekel, ge­mie­den von al­lem, was gut und recht­schaf­fen ist. Ste­he al­len Men­schen als Feind ge­gen­über, und al­le Men­schen sol­len als Fein­de dir ge­gen­über­ste­hen: Var­ney, dem Vam­pir.«
    Tau­melnd kam ich auf die Bei­ne und sah, daß die Sze­ne um mich her­um ein Fried­hof war. Ich war ha­ger und aus­ge­mer­gelt; mei­ne Klei­der hin­gen an mir wie an ei­nem Ske­lett, und der klam­me Ge­ruch des Gra­bes haf­te­te ih­nen noch an. Ich be­geg­ne­te ei­nem al­ten Mann und frag­te ihn, wo ich sei. Er sah mich an mit ei­nem Er­schau­dern, als wä­re ich ge­ra­de ir­gend­ei­nem Bein­haus ent­kom­men.
    »Wie­so, dies ist Is­le­don«, sag­te er.
    Hel­les Glo­cken­läu­ten klang plötz­lich durch die laue Nacht­luft.
    »Was be­deu­tet das?« frag­te ich.
    »Wie­so, dies ist der Jah­res­tag der Re­stau­ra­ti­on.«
    »Der Re­stau­ra­ti­on? Wel­cher Re­stau­ra­ti­on?«
    »Wie­so, der kö­nig­li­chen Fa­mi­lie der Stu­arts auf den Thron, das ist doch klar. Ge­nau heu­te vor ei­nem Jahr kehr­te sie auf ih­ren Thron zu­rück. Ha­ben Sie so lan­ge ge­schla­fen, daß Sie das über­haupt nicht wis­sen?«
    Ich er­schau­der­te und ging wei­ter, ent­schlos­sen, ein­ge­hen­de­re Er­kun­di­gun­gen ein­zu­zie­hen, aber mit sol­cher Vor­sicht, daß das Aus­maß mei­ner Un­wis­sen­heit nicht sicht­bar wur­de; das Re­sul­tat war für mich höchst er­staun­li­chen Cha­rak­ters.
    Ich fand her­aus, daß ich bei­na­he zwei vol­le Jah­re in To­destran­ce ge­le­gen hat­te und in die­ser Zeit große po­li­ti­sche Ver­än­de­run­gen statt­ge­fun­den hat­ten. Die ins Exil ge­trie­be­ne kö­nig­li­che Fa­mi­lie war wie­der in den Thron ein­ge­setzt wor­den; die wohl er­staun­lichs­te Um­kehr der Ge­füh­le, die je­mals in ei­ner Na­ti­on re­gis­triert wor­den ist, hat­te sich in Eng­land voll­zo­gen.
    Aber ich per­sön­lich war noch nicht zu dem gan­zen Schre­cken des­sen er­wacht, was ich an Wor­ten an mich ge­rich­tet ge­hört hat­te, son­dern maß dem noch kei­ne sehr

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