18 Gänsehaut Stories
der City hatte errichten lassen.
Ich versuchte zu sprechen, konnte es aber nicht; die Zunge schien mir am Gaumen festgeklebt zu sein; und auch mein Gesichtssinn trübte sich jetzt; ich konnte die schemenhaften, düsteren Gestalten um mich herum kaum noch erkennen.
Dann faßte jemand mein Handgelenk, und ich hörte den Betreffenden ganz deutlich sagen:
»Mit dem hier geht es jetzt zu Ende.«
Plötzlich schien es mir, als ob sich irgend etwas mit erdrückender Kraft auf meine Brust senkte, und ich war mir dumpf bewußt, daß ich verzweifelt nach Atem rang; dann glaubte ich, ich befände mich auf dem Grund des Meeres. Einen Moment, wirklich nur einen Moment lang, spürte ich eine schreckliche Todesqual, und dann kam da ein zischendes Geräusch wie das Rauschen von Wasser, wonach ich ganz deutlich spürte, daß ich von jemandem auf den Armen hochgehoben wurde. Ich wurde dann wieder hingelegt, und meine Glieder fühlten sich taub und kalt an; ein heftiger Krampf durchlief meinen ganzen Körper; ich schlug die Augen auf und fand mich im Freien liegend wieder, neben einem frisch ausgehobenen Grab.
Der Vollmond stand hoch am Himmel, und seine kühlen Strahlen fielen auf mein Gesicht. Eine Stimme klang mir in den Ohren, eine tiefe und feierliche Stimme; schmerzlich deutlich war jedes Wort, das sie sprach.
»Mortimer«, sagte sie, denn das war mein Name, »Mortimer, in deinem Leben hast du eine Tat begangen, die dich ein für allemal der Hoffnung beraubt, daß man sich an irgend etwas aus diesem deinem Leben in jener Welt, die nach dem Tode kommt, zu deinem Vorteil erinnern wird. Du hast den reinen Quell der Gnade vergiftet, und auf jemanden wie dich kann niemals auch nur ein Schimmer der Großzügigkeit und Vergebung des Himmels fallen. Mörder, Mörder jenes Wesens, das dir vom großen Schöpfer zur unverletzlichen Obhut anvertraut war, lebe hinfort als für immer verflucht. Sei dir selbst eine Widerwärtigkeit und ein Ekel, gemieden von allem, was gut und rechtschaffen ist. Stehe allen Menschen als Feind gegenüber, und alle Menschen sollen als Feinde dir gegenüberstehen: Varney, dem Vampir.«
Taumelnd kam ich auf die Beine und sah, daß die Szene um mich herum ein Friedhof war. Ich war hager und ausgemergelt; meine Kleider hingen an mir wie an einem Skelett, und der klamme Geruch des Grabes haftete ihnen noch an. Ich begegnete einem alten Mann und fragte ihn, wo ich sei. Er sah mich an mit einem Erschaudern, als wäre ich gerade irgendeinem Beinhaus entkommen.
»Wieso, dies ist Isledon«, sagte er.
Helles Glockenläuten klang plötzlich durch die laue Nachtluft.
»Was bedeutet das?« fragte ich.
»Wieso, dies ist der Jahrestag der Restauration.«
»Der Restauration? Welcher Restauration?«
»Wieso, der königlichen Familie der Stuarts auf den Thron, das ist doch klar. Genau heute vor einem Jahr kehrte sie auf ihren Thron zurück. Haben Sie so lange geschlafen, daß Sie das überhaupt nicht wissen?«
Ich erschauderte und ging weiter, entschlossen, eingehendere Erkundigungen einzuziehen, aber mit solcher Vorsicht, daß das Ausmaß meiner Unwissenheit nicht sichtbar wurde; das Resultat war für mich höchst erstaunlichen Charakters.
Ich fand heraus, daß ich beinahe zwei volle Jahre in Todestrance gelegen hatte und in dieser Zeit große politische Veränderungen stattgefunden hatten. Die ins Exil getriebene königliche Familie war wieder in den Thron eingesetzt worden; die wohl erstaunlichste Umkehr der Gefühle, die jemals in einer Nation registriert worden ist, hatte sich in England vollzogen.
Aber ich persönlich war noch nicht zu dem ganzen Schrecken dessen erwacht, was ich an Worten an mich gerichtet gehört hatte, sondern maß dem noch keine sehr
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