18 Gänsehaut Stories
gehört haben, daß er der Lieblingsaufenthalt des fröhlichen Charles’ ist.«
»Aber wir sind in Angst«, sagte die Lady, »unser Onkel könnte nach Hause kommen. Es ist wirklich sehr unschicklich, sehr indiskret, und wir sollten eine solche Sache eigentlich überhaupt nicht in Betracht ziehen. In der Tat, Gentlemen, sie wäre regelrecht skandalös – aber wie sollen wir jetzt über die Mauer kommen?«
Alle zusammen lachten sie kichernd auf.
Es war gewißlich eine höchst raffinierte kleine Rede, welche die Lady auf der Mauer gehalten hatte; sie ließ ganz trefflich erkennen, wie hier Neigung und Klugheit miteinander rangen. Und es war auch genau die Art von Rede, welche jene ansprach, an die sie gerichtet war.
Nachdem das Gelächter ein wenig abgeebbt war, sagte Charles:
»Aber mit Hilfe der Leiter können Sie doch, wenn Sie mit ihr auf der anderen Seite heraufgekommen sind, auf dieser ebenso leicht wieder hinab. Ich vermute, Ihnen fehlen wohl nur die Kräfte, sie herüberzuheben.«
»Genauso ist es«, sagte die Lady.
»Nun, ich glaube, mit Unterstützung meines Freundes Smith hier würde ich es schaffen; auf die Mauer heraufzukommen, und ich werde Ihnen dann helfen.«
Mit Hilfe von Rochester schaffte Charles es auch tatsächlich, die Mauerkrone zu erklimmen, um den Schönen hinüberzuhelfen, die so ängstlich, aber doch auch so willens waren, ein wenig Gefahr für ihren Ruf zu riskieren, um im Königsgarten von St. James lustwandeln zu können.
Mir kam jetzt der Gedanke, einen Zwischenfall zu inszenieren, aber andererseits wollte ich lieber nicht stören, sondern vielmehr beobachten, wie sich die Sache weiterentwickeln würde.
Nachdem die beiden Ladys oben auf der Mauer waren, zog der Monarch die Leiter nach, und während Rochester diese, an der anderen Seite der Mauer angelehnt, hielt, stiegen die beiden Schönen ganz bequem und sicher auf ihr herab. Eilig entfernte sich dann die Gesellschaft in Richtung St. James.
Ich folgte ihr mit großer Vorsicht, nachdem ich die Leiter genommen und rasch ein paar Grundstücke weitergetragen hatte. Die vier redeten und lachten in der denkbar fröhlichsten Art, bis sie zum Buckingham-Palast kamen, wo sie einen verschwiegenen Pfad einschlugen, der sie in den Garten von St. James bringen würde.
Überhängende Bäume warfen hier solch undurchdringliche Schatten, daß ich mich der Gruppe gefahrlos auf Hörweite nähern konnte. So bekam ich mit, daß die Ladys inzwischen leicht alarmiert waren über soviel Geheimnistuerei und Verstohlenheit, in den königlichen Garten zu gelangen.
»Gentlemen«, sagte die eine, »wir kommen nicht in den Garten mit, wenn Sie dazu nicht eine ordnungsgemäße Erlaubnis haben.«
»Aber die haben wir«, sagte der König. »Nachdem mir diese Erlaubnis für einige Zeit genommen war, habe ich sie kürzlich wiedererhalten und noch ein paar andere Privilegien dazu, nach denen es mich schon sehnlichst verlangt hatte.«
»Sie brauchen nicht das mindeste zu fürchten«, fügte Rochester, zu den Ladys gewandt, hinzu.
Zu viert standen sie alle vor einer kleinen Tür, während der König ein paar Minuten lang mit einem Schlüssel fummeln mußte, bevor er das Schloß aufbekam. Endlich hatte er es geschafft, die Tür schwang auf. Der König ließ dann versehentlich den Schlüssel fallen, konnte ihn nicht wieder finden und mußte die Tür deshalb angelehnt lassen. So war es mir ohne weiteres möglich, der Gruppe zu folgen, als sie durch die Tür gegangen war.
Die Örtlichkeit lag in tiefstem Dunkel.
Unter meinen Schuhen konnte ich den feinen, weichen Kies knirschen hören; aus Angst, das könnte meine Anwesenheit verraten, ging ich zur Seite, bis ich auf einen weichen Rand
Weitere Kostenlose Bücher