18 Geisterstories
diesem oder jenem etwas sichtbar wird, was sich allen übrigen verhüllt. Was ist Geist? Was sollen wir uns bei dem Wort vorstellen? Ist uns die Eigenschaft, das Talent oder die Kraft bekannt, welche diese Millionen verschiedenartiger Seelen nach Abstreifung der irdischen Hülle besitzen? Was dieser und jener starke Geist durch Macht seines Willens, oder änstigende Reue, oder süß marterndes Heimweh für Möglichkeit findet, aus Imagination wieder eine scheinbare Hülle zu bilden, wie er sie vormals trug?
Und wenn Sie ganz recht hätten, was wäre damit für Sie gewonnen? rief der eifrige Doktor. Wenn ein Verstimmter, Aufgeregter etwas sieht, so sieht er ja doch nur immer seine eigene Fantasie, seine eigenen inneren Gestalten, die sich nun sichtbar vor sein körperliches Auge hinstellen. Das begegnet jedem zuweilen. Man hat am Morgen einen lebhaften Traum. Man erwacht plötzlich und sieht noch einen Augenblick das Kind, nach dem man sich sehnte, die Lilie oder Rose, an der man sich erfreute, den alten Freund, der hundert Meilen entfernt ist, vor sich. Es ist wohl noch nie vorgekommen, daß ei nem der vielen Geisterseher sein greiser Vater oder Großvater als Jüngling oder Bräutigam, der Mörder als Knabe in Unschuld, das wilde Gespenst einer alten Giftmischerin als blühende Jungfrau erschienen ist. Warum wechseln denn diese Gespenster nicht einmal ihre Gestalten?
Weil sie vielleicht, warf ich ein, ihre Imagination nur in ihrem letzten Zustande, der ihnen noch am nächsten liegt, ausprägen können.
Ah was! rief der ungeduldige Mann, geben Sie sich lieber ruhig gefangen, als daß Sie so unbehaglich im Netze zappeln. Helfen Sie mir lieber bei der Heilung Ihres Freundes.
Und die Art und Weise?
Nur durch etwas Gewaltsames kann ein glücklicher Anfang gemacht werden. Glauben Sie mir, in den innersten Tiefen unsers Gemütes wächst noch immer etwas von jenem Unkraut der Eitelkeit, von dem wir uns gerne weismachen, daß es nur in der äußersten Oberfläche, um zu wuchern, seinen Boden anträfe. Auch im Schreck, im Todesentsetzen, in marternder Krankheit kitzelt uns das Bewußtsein: du erlebst doch bei alle dem was Apartes, du siehst Erscheinungen, die dich ängstigen. Man geht weiter: man wünscht sie wieder zu sehn und lockt sie gleichsam hervor. Das schmiegsame, fügsame innere Wesen, die fast unbegreifliche Fantasie gehorcht, und wieder steht ein solcher Popanz vor uns. – Stehn Sie mir also darin bei, die Kranken zu überreden und zu stimmen, daß entweder im Zimmer des Grafen oder bei Ihnen Musik gemacht werde, schaffen wir ein Fortepiano an, und da die kranke Elisabeth nicht singen kann, so wird sie uns wenigstens eine Sonate spielen. Damit die beiden Wahnsinnigen keinen Skandal erregen, wenn sie vielleicht doch von ihrem Wirrsal befangen werden, so muß niemand Fremdes zugegen sein, nur Sie und ich und höchstens die Kammerfrau, falls die Gräfin sich doch wieder vergessen sollte. Es wird aber in meiner Gegenwart, da ich mein gesundes Auge allenthalben werde herumschweifen lassen, nicht geschehn. Dadurch werden die Kranken Sicherheit und Beruhigung gewinnen, und wir fahren dann jeden Tag fort und brauchen immer stärkere Mittel, um die irre Fantasie zu kurieren.
Und, wenn nicht, – sagte ich, mit fast furchtsamem Ausdruck.
Nun, beim Himmel, rief der untersetzte Mann mit lautem Lachen, wenn ich, ohne vorher etwas viel getrunken zu haben, etwas sehe, – nun so –
So?
So will ich ein Narr sein und bleiben, Baron, wie wir es denn, beim Licht besehen, alle von Hause aus schon sind.
So verließen wir uns, und es kostete viel Überredung, meinen angstvollen Freund dahin zu bringen, daß er zu diesem bevorstehenden Experiment seine
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