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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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nicht, sondern sah sich nur stumm vielmal nach der Gegend um, wo der Schauplatz des letzten Sieges, den das Heer erfochten, in die Schleier der Nacht gehüllt lag. Als die Straße sich um eine einsame steile Höhe bog, ritt er allein hinauf. Auf dem windumrauschten Gipfel hielt er und richtete die Blicke nach der wüsten, von Qualm umzogenen Stätte des Todes, die nunmehr der äußerste Zielpunkt des ungeheuern Kriegszuges geworden war. Der Rauch der Trümmer mischte sich mit dem der Wachtfeuer, welche die Nachhut hell auflodern ließ, die unter des Marschalls Davoust Befehlen den Feind über den Rückzug des großen Heeres täuschen sollte. Jenseit, am Walde, erkannte man an zahllosen, in düsterroter Glut leuchtenden Flammensternen das Lager des russischen Heeres. Langsam zogen die schwarzen Dampfgewölke über den im Dämmerschein des untergegangenen Mondes matt leuchtenden Himmel; sie schienen sich zu einem schweren Gewitter zu sammeln. »Also dort!« sprach Rasinski zu sich selbst, »dort soll der Wanderer künftiger Jahrhunderte die Stätte aufsuchen, wo dem unermeßlichen Geiste, der die Könige des Erdballs stürmend aus ihrer alten, versunkenen Ruhe aufjagte, die Grenze seiner Kraft gesteckt war! Soll denn kein Sterblicher ein großes Werk vollenden? Kann denn der Menschengeist nicht einmal diese kleine, ärmliche Erde umfassen, die ihm zur Wohnstätte angewiesen ist, solange er in den Banden seiner irdischen Hülle schmachtet? Sind wir denn so wenig, daß dieser Punkt, dieses Sonnenstäubchen im Weltall, ein unermeßlich ungeheuerer Raum für unsere Kräfte ist? Cyrus fiel an den Grenzen des wilden nordischen Szythenreichs, Kambyses mußte umkehren an den glühenden Pforten Äthiopiens, Alexander an dem fabelhaften Reiche der Inder – und hier sollte die Nachwelt die Marksteine seines Tuns aufrichten dürfen? Hier! Und wer behauptet das? Warum nicht schon an den Pyramiden? Was dort geschah, wiederholt sich hier. Ist denn der Kreislauf der Zeiten schon vollendet? Torheit, an räumlichen Grenzen zu hangen! Als ob die Welt nicht dort hinaus so weit wäre wie dort! Und dennoch!« Ein Schauer schüttelte den Einsamen. Der Wind sauste über die Höhen und rauschte durch die Wipfel der alten Fichten, die ihre Zweige über Rasinskis Haupt hinausstreckten. Sein Roß scharrte mit dem Fuße und schüttelte die im Winde fliegenden Mähnen. Düstere Ahnungen, welche die Bilder der Zukunft vor seiner Seele vorüberzuführen schienen, gewannen mehr und mehr Macht über ihn. »Dennoch!« seufzte er nach einer stummen Minute, »dennoch ist es wahr, die Tat des Menschen ist von den engen Schranken des Raumes unsichtbar umgeben; erst wenn er sie erreicht hat, sieht er die unwiderruflichen Grenzen, die keine Macht mehr verrückt, keine Zeit verwischt. Weissagt ihm sein ahnendes Herz nicht, wo er ihnen nahe steht? – Wäre hier der Ort, wo der Strom großer Taten in das Meer der Unermeßlichkeit ausmünden und ewig spurlos darin verschwinden soll? Oder wendet er nur den Lauf, um sich stolz durch neue Gefilde zu ergießen, neue Felsendämme zu durchbrechen, die sich ihm entgegentürmen? Wer sagt es uns, wo unser Fuß die geheimen Zeichen des Geschicks berührt, die im bannenden Zauberkreise rings um uns gezogen sind? Öffnen sich jetzt die Tore eines neuen olympischen Sieg- und Kampfgefildes, oder stehen wir vor den ehernen verriegelten Pforten, mit denen der Allmächtige im Urrat des Schicksals unsere Bahn unwiderruflich zu sperren beschloß? Ist hier die Stelle, wo die endliche Kraft an dem diamantenen Damm der ewigen zersplittern soll? – Ja, ja, so ist es. Eine Geisterstimme ruft es mir zu aus diesem nächtlichen Himmel, in dem schauerlichen Sausen des Herbststurms. – Also hier! Wirklich hier! Jetzt greift der eiserne Arm des Geschicks in die Schwingen des Gewaltigen und lähmt und bricht sie? Und wäre er denn vernichtet? Nein, nimmermehr! Ewig fest wird sein Riesendenkmal stehen in den fortbrausenden Wogen der Zeit. Sie wird den Schleier heben von dieser finstern Gegenwart. Wenige Monden oder Jahre – Pulsschläge der Ewigkeit – und das Buch der Verhängnisse liegt aufgeschlagen vor uns. Die kommenden Geschlechter werden es wissen, ob der Glockenschlag dieser nächtlichen Stunde einen Umschwung der Weltgeschicke verkündet! – Und sei es denn! Vertilgen kann keine Ewigkeit die Spuren seines Riesenganges über die Erde! So mag denn hier der Grenzstein seines mächtigen Vollbringens aufgerichtet werden! Die

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