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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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einen Trauerschleier.
    »Ich will euch statt ihrer über alles Antwort geben«, entgegnete Dolgorow. »Seid nur für jetzt so gut, den Frauen ein Gemach einzuräumen, wo sie der Ruhe pflegen können, denn wir sind Tag und Nacht, ohne Rast noch Aufenthalt gefahren. Aber weckt niemand von euern Leuten, denn unser Hiersein muß noch ein Geheimnis bleiben.«
    »Ja, weist uns eine Ruhestelle an, frommer Vater,« sprach die Gräfin mit ermatteter Stimme; »ich bin bis zum Tode erschöpft.«
    Gregor führte die Frauen in ein stilles, nach dem Garten hinaus liegendes, für die Aufnahme von Gästen eingerichtetes Gemach, welches, wie das ganze Haus, auch wohl erwärmt war. Die Gräfin sank sogleich auf ein Ruhebette nieder. Feodorowna reichte ihrem väterlichen Freunde die Hand und sprach: »Morgen, teuerer Vater, morgen will ich euch recht lange, lange sprechen.« – »Bedürft ihr aber jetzt keiner Erquickung, keiner Speise, oder eines warmen Getränkes?« fragte der Greis. – »Nichts, bester Vater,« entgegnete Feodorowna, »nur der Ruhe, und die finden wir ja hier, wie wir sie wünschen.«
    Gregor ging zu Dolgorow zurück, den er mit großen Schritten auf und ab gehend antraf. »Vater,« redete ihn der Graf an, indem er ihm die Hand auf die Schulter legte; »Vater, es begeben sich große Dinge. Rußland sieht die Tage seines Glanzes anbrechen nach den Tagen der Schmach, die es getragen.« – »Wie? Darf ich euern Worten trauen? So wäre mein heißes Gebet erfüllt?« –»Du weißt, daß der Feind auf dem Rückzüge ist.«–»Wohl; doch fürchte ich, nur um dem Winter Rußlands zu entgehen, da die heilige Stadt, die er selbst frevelhaft zerstörte, ihm kein Obdach mehr gewährt.«
    »Der Winter Rußlands hat ihn ereilt. Es ist zu spät zur Rückkehr. Er wird die Grenzen des Landes, in das er übermütig eingedrungen, nicht wiedersehen. Du meinst, er habe Moskau verbrannt? Wirft nicht der Schiffer die köstlichen Güter, mit denen er den Raum gefüllt hat, ins Meer, um sein auf der Sandbank gestrandetes Fahrzeug wieder frei auf den Rücken der Wellen zu erheben? Sprengt sich der Pirat nicht mit seinem Feinde in die Luft? Hältst du Rußlands Söhne nicht für Männer, die das gleiche zu tun vermöchten? Alter, lerne besser von uns denken! Die Flamme Moskaus hat keine feindliche Fackel entzündet; ihr Glanz wird die furchtbarste, aber auch die größte Tat in den Jahrbüchern Rußlands bestrahlen!« – »Wie?« rief Gregor und erhob die Hände staunend. »Wie?« – »Laß das jetzt; es ist, wie ich sagte; doch wir haben wichtigere Dinge zu besprechen. Von jener Schreckensnacht an begann die Wetterwolke des Verderbens ihre Blitze rächend herabzusenden auf den Verwegenen, der das ganze bewaffnete Europa in dieses Reich führte, um unsere Fluren zu verheeren. Er mußte den Tag der Schmach erleben, wo er sich umwandte zur Flucht; der Stolz des nie Besiegten ist gebrochen, das Verderben hat ihn ereilt. Schon hier hofften wir, ihn zu vernichten; es ist zu spät geworden,, doch er entgeht seinem Schicksale nicht. Hört mir jetzt aufmerksam zu, würdiger Vater, denn es bedarf auch euerer Hilfe. Ihr werdet nicht vergessen haben, wie die Hochzeit meiner Tochter unterbrochen wurde. Ihr seht sie jetzt im Trauerschleier der Witwe, denn ihr Gatte ist nicht mehr. Als wir flüchteten, ereilten uns Feinde hart am Walde hinter dem Garten. Eine Kugel traf den Fürsten; er sank, doch es gelang uns, ihn im Walde zu verbergen. Auf einer Bahre von Zweigen trugen wir ihn bis ins nächste Dorf, und dort fanden wir Mittel, ihn langsam bis nach Moskau zu schaffen, da der immer näher und näher rückende Feind uns bis dorthin zu flüchten zwang; denn er wollte lieber sterben als in die Hände der Feinde fallen. Von Moskau eilte ich selbst zurück zum Heere. Ich focht bei Borodino, wo wir nichts verloren als einen wüsten, mit Leichen bedeckten Boden. Er ward uns teuer bezahlt. Verwundet, obwohl leicht, begab ich mich nach Moskau, wo der Fürst in seinem Schlosse, von meiner und seiner Gemahlin gepflegt, sein schweres Krankenlager duldete; denn weil wir ihm nicht Ruhe gönnen konnten, hatte sich die Wunde so verschlimmert, daß sie wenig Hoffnung gab. Jetzt rückte der Feind vor die Hauptstadt. Wahrend er einzog, rang Ochalskoi mit dem Tode. Wir hatten ihn in einen abgelegenen Flügel des Schlosses, in geheime, wohlverwahrte Gemächer bringen lassen, wo wir in sicherer Verborgenheit hätten bleiben können, wenn der Brand der Stadt nicht

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