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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Teuerste auf der Erde war. Die Aufgabe war für den Gewissenlosen leicht, nur hatte er die Mittel nicht sogleich in Händen. Bernhard und Ludwig mußten das Los der im Schlosse befindlichen gefangenen Franzosen teilen. Dann sollte ihr Schicksal davon abhängig gemacht werden, ob Feodorowna auf die Hostie schwören wolle, das Geheimnis ihrer Geburt niemals zu verraten. Doch dazu bedurfte es einer stärkern Mannschaft, als man im Schlosse hatte. Außer den Dienern, unter denen die meisten Leibeigene Feodorownas waren, auf die sich Dolgorow in einem entscheidenden Falle nicht unbedingt verlassen konnte, war keine Mannschaft im Schlosse. Bernhard und Ludwig allein vermochten einen so entschlossenen Widerstand zu leisten, daß man wenigstens gezwungen werden konnte, sie zu töten, und alsdann war die Bürgschaft für das Geheimnis verloren. Feodorownas Leben selbst aber durfte Dolgorow nicht gefährden, teils weil ihre Leibeigenen in solcher Tat einen furchtbaren, nicht zu versöhnenden Frevel gesehen hätten, teils weil er voraussah, daß die Gräfin ihre Zustimmung versagen werde, endlich aber auch, weil er selbst hier das innere Maß seines frevelhaften Wollens erschöpft fühlte. Denn jeder, auch der Verderbteste, trägt eine Grenze seines frevelnden Wollens in sich, die er nicht zu überschreiten wagt. Selbst der tiefste Abgrund der Verbrechen erschöpft sich und erreicht einen Punkt, wo das heilige Gebot der Sittlichkeit sich so unbesiegbar geltend macht, daß der Entartetste, und sollte er darüber die Frucht aller seiner frühern Frevel verlieren, sollte er selbst der irdischen Vergeltung anheimfallen, dennoch die Willenskraft zum Bösen gelähmt fühlt und den letzten Streich, der ihn ans Ziel bringen soll, nicht zu führen wagt. So greift der unsichtbare Arm des Allmächtigen selbst in das Getriebe verbrecherischen Tuns und gebietet einen unwiderruflichen Stillstand.
    Dolgorows Plan war gefaßt. Er beschloß, eine hinlängliche Mannschaft in die Nähe des Schlosses kommen zu lassen, um jeden Widerstand zu beseitigen. Dann sollten Ludwig und Bernhard ins Freie gelockt, unvermutet überfallen, ergriffen, geknebelt und in möglichster Stille abgeführt werden, so daß niemand im Schlosse dessen gewahr würde. Wenn man so den tiefern Wald erreicht hätte, wollte ihnen Dolgorow erklären, daß ihr und Feodorownas Schicksal von der Bewahrung seines Geheimnisses abhänge, und sie dann mit den übrigen Gefangenen in das Innere des Landes abführen lassen. Erst nachdem alles abgetan sei, solle Feodorowna den Hergang der Dinge erfahren, und alsdann würde es ein leichtes sein, ihr das Gelöbnis des unverbrüchlichen Geheimnisses durch Bedrohung der Gefangenen abzubringen.
    Willhofen war ein verdächtiger Zeuge für Dolgorow. Er beschloß daher, sich desselben zu entledigen und zugleich durch ihn seinen Zweck zu fördern, indem er eben ihn zum Boten wählte, um den Befehl zu überbringen, daß die Mannschaften aufs Schloß kommen sollten, zugleich aber dem Förster, der diesen Teil der zum Landsturm versammelten Bauern befehligte, den Auftrag gab, Willhofen nicht mit zurückzusenden, sondern ihn bis auf weitere Bestimmung anderweitig zu beschäftigen.
    Dem wohlüberlegten Entschluß folgte die rasche Tat. Er schrieb den Befehl, versiegelte ihn, schellte und ließ, da Jacques eintrat, Willhofen rufen. »Hier ist ein dringender Brief zu bestellen, Solanow«, redete er ihn an. »Du wirst sofort satteln und reiten. Ich mache dich verantwortlich dafür, daß der Befehl binnen drei Stunden spätestens eingehändigt ist.« Der Alte verbeugte sich stumm, nahm den Brief und ging. Jetzt schöpfte Dolgorow Atem. Die Gefahr schien abgeleitet, die drohende Wolke geteilt. Er ahnte nicht, daß sein Plan gescheitert war, noch ehe er zur Ausführung kam.

Elftes Kapitel.
    Denn Bianka wußte schon, daß und wie sie verraten war. Jeannette nämlich hatte in dem Zimmer der Fürstin gesessen und gearbeitet; als das Licht ihr zu fehlen anfing, setzte sie sich auf einen Lehnsessel in der bei den starken Mauern des Schlosses sehr geräumigen Fenstervertiefung, und arbeitete, solange sie sehen konnte. In der Dämmerung hörte sie auf und sank, da sie einige Zeit müßig sitzenblieb, in Schlummer. Plötzlich wird sie durch ein Geräusch geweckt, richtet sich auf, steht ein seltsam flackerndes Licht im Zimmer und bemerkt mit Erstaunen den Grafen, der vor dem geöffneten Schreibtisch der Fürstin steht. Unwillkürlich die Zeugin dieser Handlung,

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