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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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die Fortsetzung seines Weges unterbrochen hätte. Sein erstes war jetzt, den neuen Begleiter auszufragen, ob er nicht Spuren von denen bemerkt habe, die er aufsuche. Joseph verneinte es.
    Ludwig hatte jetzt die Aufgabe, seinen Begleiter darüber auszuforschen, welchen Weg wohl Reisende, die ihre Straße eilig fortzusetzen und wenig bemerkt zu sein wünschten, genommen haben könnten, um am leichtesten über das Gebirge und die befahrene Landstraße, die nach Deutschland führte, zu gelangen. Es war schwer, ohne den Zusammenhang der Verhältnisse zu verraten; endlich ersann er sich, um jeden Verdacht von Bianka und den sie Begleitenden fernzuhalten, folgende Fabel. Er äußerte vertraulich zu Joseph: »Ich will dir nur geradeheraus gestehen, guter Freund, daß eine heftige Neigung zu einer jungen Dame, wahrscheinlich einer Engländerin, mit der ich von Italien aus zu gleicher Zeit über den Simplon reiste, mich zu solcher Eile antreibt. Ich erfuhr zu Brieg, daß sie trotz der frühen Jahreszeit den Entschluß gefaßt habe, mitten durch das Gebirge zu reisen und dessen wilde Schönheiten kennen zu lernen. Da jedoch ihre Reise anderweitig große Eile erfordert, so wollte sie denjenigen Weg einschlagen, wo sie ihren Zweck mit möglichster Zeitersparnis ausführen und nachher Deutschland auf dem nächsten Wege erreichen könnte. Ich wagte es nicht, mich ihr als Begleiter anzutragen, da sie nur eine ältere Dienerin und einen Diener bei sich hatte, übrigens aber von keinem Verwandten begleitet wurde, sondern, wie die Engländerinnen einmal sind, abenteuerlich als ihre eigene Führerin und Gebieterin umherstreift. Indessen war mein Wunsch, ihr Gefährte auf der Reise zu sein, so groß, daß ich fest beschlossen hatte, ihr unbemerkt zu folgen und mich dann im Gebirge, wenn die Wege sich nicht mehr so leicht scheiden, wie zufällig zu ihr zu gesellen. Ob sie meine Absicht erraten hatte und sie vereiteln wollte, oder ob es sonst in ihrer abenteuerlichen Weise lag, weiß ich nicht, aber sie verließ Brieg gestern nachmittag, während ich einen kleinen Spaziergang machte, obwohl sie gegen mich geäußert hatte, sie werde erst am andern Morgen aufbrechen. Ich weiß nun weiter nichts, als daß sie diesen Weg an der Rhone eingeschlagen hat; davon aber habe ich zuverlässige Spuren. Nun rate mir, Freund, was soll ich beginnen, um sie aufzufinden? Wenn es mir gelänge, würde ich dich reichlich für deinen Dienst beschenken.«
    »Ei, mein lieber Herr, das ist freilich eine schwere Sache, jemand aufzusuchen, von dem man nicht weiß, welchen Weg er genommen hat. Denn wir können hier gar mancherlei Pfade einschlagen. Wenn wir bei Naters, das dort unten vor uns liegt, über die Berge gehen, so könnten wir an der Jungfrau vorbei ins Oberland kommen. Das wäre der nächste Weg nach Bern, aber er ist jetzo gar gefahrvoll und beschwerlich, und ich glaube nicht, daß irgendein Gemsjäger ihn leicht wagen würde. Drei Stunden weiter aufwärts, von Wesch aus, führt ein ähnlicher Pfad über den Kamm. Da würden wir die Jungfrau zur Linken lassen und könnten, wenn Gott uns behütet, nach Grindelwald gelangen. Aber es ist auch ein Weg, den man wohl im hohen Sommer macht, zur halben Winterszeit, wie jetzo, aber nicht. Diese Straßen also, glaube ich, wird die Dame nicht eingeschlagen haben, denn dazu findet sie schwerlich einen Führer. Nun gibt's noch einen Weg, die Maienwand herauf nach der Grimsel, oder wenn wir ganz im Rhonetal bleiben wollten, so müßten wir über die Furka nach Realp, Hospital, und dann die Gotthardstraße hinunter. Das sind die vier Hauptwege, wer aber klettern will und umherstreichen und einen Umweg nicht scheut, der kann noch gar manchen andern einschlagen. Auf diesen Schleifwegen wissen wir Landleute aber nicht Bescheid, sondern dazu gehört ein guter Gebirgsjäger, der sich Tag und Nacht in den Bergen umhertreibt. Jetzo im Frühjahr aber, lieber Herr, wo der Schnee noch gar hoch liegt, und überdies viele Lawinen stürzen, jetzo ist's wahrlich nicht zu wagen. Ich glaube daher immer, die Engländerin wird entweder über die Grimsel oder die Furka ihren Weg genommen haben, und falls sie Eile hat, ist der letzte noch der beste, denn er führt sie zunächst auf die große Straße nach Altorf und sodann über Brunnen und Zug nach Zürich. Einen nähern Weg, um nach Deutschland zu kommen, gibt es kaum. Die andern nehmen zwar eine gerade Richtung, aber sie sind drum doch nicht die nächsten, weil sie so gar mühselig und

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