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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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beherberge und vom nächsten Morgen an nur Russen nachrücken würden, die mit allem so reichlich versehen wären, daß sie die ausgesogenen, geplünderten Einwohner noch unterstützen könnten. »Freilich haben wir wenig gerettet,« begann der Alte, »doch ist noch Brot da und etwas Honig, auch ein Fäßchen Branntwein. Ich kann euch eine warme Suppe bereiten.« – »Bringt uns, was ihr vermögt – wir wollen euch auch zur Hand gehen.« – »Heilige Mutter Marie!« rief der Alte plötzlich erschreckt und kreuzte die Arme; »da pocht es an der Tür. Wenn ihrer mehrere hier eindringen, sind wir verloren!« – »Laßt mich öffnen,« sprach Rasinski; »wir können, solange Raum ist, nicht so unmenschlich sein, unsere Kameraden der erstarrenden Nacht preiszugeben.« Er schritt gegen die wohlverwahrte Tür und fragte auf französisch: »Wer ist da draußen? Was wollt ihr?«
    Indem eilte Bernhard schon heraus und rief: »Es sind von unsern Leuten dabei, ich habe sie erkannt.« Sie öffneten schnell. Fünf halberstarrte Krieger von Rasinskis Regiment umlagerten die Tür. Sie hatten ihren geliebten Führer in der Verwirrung des Gefechts verloren und nun ein Obdach im Flecken gesucht. Doch waren alle Häuser überfüllt, weil der Marschall Victor den Ort schon besetzt hatte, was freilich aus andern Ursachen ein Glück genannt werden mußte, indem seine Truppen die von der Westseite eindringenden Russen zurückgeschlagen hatten. Von Haus zu Haus suchend, überall zurückgewiesen, gab ein Offizier den vor Frost schon fast Umkommenden endlich eine Spur von Rasinski, den er mit Jaromir und den übrigen, als sie den Leichnam Boleslaws trugen, hatte über das Feld gehen sehen. Seiner Weisung folgend, erreichten sie glücklich das kleine Haus, das, wie es oft zu geschehen pflegt, indem alles nur dem Hauptstrom der Massen folgte, ganz Unbemerkt geblieben war.
    Die Freude der Rettung strahlte aus den Augen der Unglücklichen, als sie in die erwärmten Räume des Gemaches eintraten, und vollends, da sie ihren Führer, ihre geliebten Offiziere, denn auch Bernhard und Ludwig galten ihnen dafür, erblickten. Diese waren ebenso herzlich froh, einige der verloren Geglaubten aufs neue begrüßen und von dem Verderben retten zu können. Mit stummem Schmerz überblickte Rasinski diese wenigen Getreuen, die ihn umgaben; sie waren alles, was er von seinem stattlichen Regiment heimführte! Und dennoch mußte er dem Schicksal danken, daß es ihm die teuersten Freunde erhalten hatte. Nur einer war heute als das erste Opfer gefallen! Er flehte innerlich zu dem Allmächtigen, daß es das letzte sein möge!

Siebentes Kapitel.
    Eine nährende Mahlzeit hatte die Ermüdeten erquickt; jetzt überwältigte die Abspannung des Körpers selbst den tiefsten Schmerz der Seele. Alle sanken sie bald in langentbehrten, süßen Schlaf, der sie, fast dem Tode gleich, in gänzliches Vergessen versenkte.
    Der Winter ließ indessen von seinem Grimm nicht nach, sondern sandte seine Schrecken in immer wachsendem Maße auf die Gefilde herab. Ein Heil lag in diesem Unheil; die starren Fesseln der Kälte, die sich den Flüchtenden als Schlingen um die Füße legten, lähmten auch die Schritte der Verfolger. Die Schrecken der Natur überboten die des Kampfes so gewaltig, daß sie einen unverabredeten Waffenstillstand erzeugten.
    Ein tobendes Pochen an der Tür und ein wildes Geschrei vor derselben weckte Rasinski aus dem Schlaf. Er fuhr rasch empor, und kriegerisch gewohnt, sogleich seine ganze Besonnenheit beisammen zu haben, horchte er, bevor er auf das Anrufen und Sprechen antwortete, scharf hin, um zu prüfen, ob Freunde oder Feinde sich näherten. Bald unterschied er, daß es Russen waren, die an der Pforte pochten. Er sah rasch nach der Uhr; die sechste Stunde war vorbei. Es mußte draußen noch völlig dunkel sein. Seine Gefährten ringsumher schliefen noch fest, nur der Wirt fing an zu erwachen und fragte halb im Schlafe: »Wer da?«
    Rasinski sprang auf, rüttelte ihn vollends wach und raunte ihm leise zu: »Du bist verloren, wenn du uns mit einer Silbe verrätst; laß mich allein handeln.« Der erschrockene Alte deutete durch Zeichen an, daß er gehorsam sein wolle. Rasinski ging hierauf aus dem Gemach gegen die Tür zu und fragte in russischer Sprache: »Wer ist da?« – »Wir sind Russen, Freund«, tönte die Antwort. »Die Kälte bringt uns um, wir haben einen Nachtmarsch gemacht; öffne geschwind, wir sind nur wenige!« – »Bei der heiligen Mutter

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