1892 - Als das Sternlicht erlosch
Wir sind uns niemals zuvor begegnet, oder?"
Siebenton mußte schlucken. Die Aufregung trieb ihm die Tränen in die Augen.
„Nein, Erleuchteter." Dies war die offizielle Anrede für den Seelenhirten. „Einmal nur sah ich einen Seelenhirten, den von Phasenberg. Ich war damals 45 Jahre alt."
„Broyyan lebt inzischen auch nicht mehr", sagte Caryton. „Aber er hat einen tüchtigen Nachfolger. Ich glaube, ihr werdet euch gut verstehen, Siebenton."
„Wir ... werden ... uns ...?"
Siebenton versagte die Stimme. Er war froh, als ihm der Seelenhirte bedeutete, ihn nun allein zu lassen.
Walyon nahm ihn bei der Hand, und wie in Trance verließ Siebenton mit ihm das Gemach in dem Wissen, Caryton zum ersten und letzten Mal gesehen zu haben.
*
Viereinhalb Wochen später war es soweit.
Jeder Hypersender auf den wichtigsten Mönchswelten strahlte die traurige Nachricht in die Galaxis ab, daß der Seelenhirte von Wolkenort verstorben sei. Danach folgten Nachrufe auf Caryton und schließlich die Bekanntgabe jener Mönche, die der Seelenhirte dem Gremium der Würdenträger für seine Nachfolge vorgeschlagen hatte.
Es waren Lokhout, Permanor, Dschagat, Konifer und Siebenton.
Zwischen diesen fünfen Mönchen hatte sich das Gremium zu entscheiden, und für diese fünf konnten die Mönche und die anderen galaktischen Völker nunmehr drei Wochen lang ihr Votum abgeben. Inwieweit dieses Einfluß auf die Entscheidung der Würdenträger haben würde, das wußte Siebenton nicht. Ihm war nur klar, daß er als der mit Abstand Jüngste die geringsten Chancen besaß.
Lokhout war mit seinen 277 Jahren der älteste Rivale, Konifer mit 233 Jahren der jüngste. Zwischen ihnen und Siebenton klafften also Welten.
„Du darfst es nicht so hoffnungslos sehen", sagte Walyon nach einigen Tagen des Wartens zu Siebenton. Caryton war mit allen Würden in einem separaten Flügel der Inversen Wache bestattet und eingemauert worden. „Wenn du keine Chancen hättest, hätte der Seelenhirte dich nicht im letzten Moment aufgenommen und vorgeschlagen. Jeder Kandidat muß nun darauf hoffen, daß sich so viele Fürsprecher wie möglich einfinden. Ich darf dir so viel sagen, daß das Gremium in gewissem Maße an die öffentlich geäußerte Meinung gebunden ist. Es könnte nie einen Seelenhirten bestimmen, der von der Bevölkerung und von den anderen Völkern strikt abgelehnt wird. Wohlgemerkt, es muß sich nicht die öffentliche Meinung aufdrängen lassen, darf sie aber auch nicht ignorieren. Die Würdenträger müssen einen Mittelweg finden und Weisheit beweisen."
„Sie werden sich für Lokhout entscheiden", sagte Siebenton. „Er war immer schon einflußreich, und ich sehe doch, wie er seine früheren Beziehungen spielen und Sympathiekundgebungen organisieren läßt. Keiner von uns anderen kann das."
Er dachte wieder daran, wie er sich bei Caryton in Erregung geredet hatte, und gestand sich endlich ein, daß ihm viel daran lag, der neue Seelenhirte von Wolkenort zu werden. Er würde plötzlich alle seine Visionen verwirklichen können. Dieses Motiv war mindestens so stark wie zu verhindern, daß ein Reaktionär wie Lokhout sich an die Spitze der Priesterschaft und einer ganzen Galaxis setzte.
Walyon glaubte an ihn - also warum sollte er es nicht endlich auch selbst tun?
„Ich bin bereit" hörte er sich sagen. „Bereit für den Kampf."
„Das freut mich", seufzte Walyon. „Endlich hast du begriffen."
- Von diesem Tag an sprach auch Siebenton zu den Mönchen, in Bleuht und in den anderen Städten, so, wie es seine Konkurrenten schon taten, noch bevor Caryton seine letzte Ruhe gefunden hatte. Walyon organisierte seine Auftritte für ihn. Er stellte sich eindeutig auf Siebentons Seite und predigte von den Verdiensten des jungen Würdenträgers und von Siebentons Ideen für eine Erneuerung des Shaogen-Kults in den Bereichen, wo sie überfällig war.
Walyons Reputation war für Siebenton das beste nur denkbare Startkapital. Die Mönche, die ihn nicht kannten, kamen wegen des älteren Priesters - und ließen sich nach dessen Auftritt von Siebenton faszinieren.
Bald schlug eine Welle der Sympathie über dem jungen Mönch zusammen. Er eilte von Stadt zu Stadt und besuchte die anderen wichtigen Planeten, immer mit Walyon. So war aus ihnen, auch wenn das Schicksal es anders gewollt hatte, auf gewisse Weise noch ein Paar geworden.
Doch Lokhout ließ sich nicht abschütteln. Auch er trat mit prominenten Priestern und angesehenen Mönchen aus
Weitere Kostenlose Bücher