Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
19 Minuten

19 Minuten

Titel: 19 Minuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
hatte wohl schließlich doch begriffen, was die Leute über ihn dachten.
    »Ich wollte nicht so behandelt werden wie er«, antwortete Josie auf die Frage ihrer Mutter, dabei wollte sie im Grunde sagen: Ich war nicht mutig genug.
    Die Rückkehr ins Gefängnis war eine umgekehrte Evolution. Man musste die Insignien des Menschseins abgeben - Schuhe, Anzug, Krawatte. Man beugte sich vor, wurde abgetastet, und ein Wächter mit Gummihandschuhen untersuchte die Körperöffnungen. Man bekam einen Gefängnisoverall verpasst und Gummilatschen, die viel zu groß waren.
    Peter legte sich aufs Bett und bedeckte die Augen mit den Armen. Sein Zellengenosse, der wegen Vergewaltigung einer sechsundsechzigjährigen Frau angeklagt worden war, wollte wissen, wie es vor Gericht gelaufen war, aber Peter antwortete nicht. Das war so ziemlich die einzige Freiheit, die ihm geblieben war. Und er wollte die Wahrheit für sich behalten: Dass er nämlich, als er in seine Zelle zurückgeführt worden war, tatsächlich so was wie Erleichterung empfunden hatte, ein Zuhausegefühl.
    Hier starrte ihn keiner an. Nein, hier sah ihn überhaupt keiner an.
    Hier sprach keiner über ihn, als wäre er eine Bestie. Hier verurteilte ihn keiner, weil sie alle im selben Boot saßen. Hier spielte es keine so große Rolle, dass er auch im Gefängnis nicht beliebt war.
    Er dachte an die Zeugen, die Diana Leven heute hatte aufmarschieren lassen - auf zwei Beinen, an Krücken oder im Rollstuhl. Jordan hatte ihm erklärt, dass es dabei einzig und allein um Mitleid ging, dass die Staatsanwaltschaft all diese zerstörten Leben vorführen wollte, ehe der Prozess in die eigentliche Beweisphase eintrat. Dass er bald Gelegenheit haben würde zu zeigen, dass auch Peters Leben zerstört worden war. Eigentlich war Peter das egal. Nachdem er diese Schüler wiedergesehen hatte, war er eher erstaunt gewesen, wie wenig sich geändert hatte.
    Peter starrte mit schnell blinzelnden Augen auf die alten Sprungfedern des oberen Bettes. Dann rollte er sich zur Wand und stopfte den Zipfel seines Kopfkissens in den Mund, damit ihn niemand weinen hörte.
    Auch wenn John Eberhard ihn nicht mehr als Schwuchtel bezeichnen, ja nicht mal mehr sprechen konnte ...
    Auch wenn Drew Girard nie mehr das Sportass sein würde, das er mal war ...
    Auch wenn Haley Weaver nicht mehr umwerfend aussah ...
    Sie gehörten trotzdem noch immer zu einer Gruppe, in die Peter niemals hineinpassen konnte, niemals hineinpassen würde.

6 Uhr 3o, 6. März 2007
    »Peter. Peter?!«
    Er rollte sich herum und sah seinen Vater in der Tür seines Zimmers stehen.
    »Bist du auf?«
    Sah es vielleicht so aus, als wäre er auf? Peter stöhnte und rollte sich auf den Rücken. Er schloss einen Moment die Augen und überlegte, was ihm bevorstand.
    Englischfranzösischmathegeschichtechemie. Ein einziger Endlossatz, eine Unterrichtsstunde, che in die nächste überging.
    Er setzte sich auf und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Unten hörte er seinen Vater lautstark mit Geschirr hantieren. Er würde sich seine Thermoskanne nehmen, Kaffee einfüllen und Peter dann sich selbst überlassen.
    Peters Pyjamahose schleifte über den Boden, als er vom Bett an den Schreibtisch schlurfte und sich niederließ. Er wollte ins Internet und nachsehen, ob er noch mehr Kommentare zu Hide-n-Shriek bekommen hatte.
    Wenn es wirklich so gut war, wie er glaubte, würde er es für einen Amateurwettbewerb anmelden. Im ganzen Land, in der ganzen Welt, gab es Jungen wie ihn, die ohne Zögern 39,99 Dollar für ein Videospiel hinblättern würden, in dem die Geschichte von den Losern neu geschrieben wurde. Peter stellte sich vor, wie er von den Lizenzgebühren reich würde. Vielleicht könnte er sich das College sparen wie Bill Gates. Vielleicht würden ihn eines Tages Leute anrufen und so tun, als wären sie die dicksten Freunde gewesen.
    Er blinzelte und griff dann nach seiner Brille, die in ihrem offenen Etui neben der Tastatur lag. Aber weil es verdammt noch mal erst halb sieben Uhr morgens war, wo man von keinem viel Koordination erwarten konnte, blieb er an dem blöden Etui hängen, und es fiel ihm auf die Funktionstasten.
    Der Zugangsbildschirm verkleinerte sich, und stattdessen öffnete sich eine Datei aus seinem Papierkorb.
    Ich weiß, dass du nicht an mich denkst.
    Und du würdest dir bestimmt nie vorstellen, dass wir miteinander gehen.
    Peter wurde schwindelig. Er haute auf die DELETE-Taste, aber nichts passierte.
    Jedenfalls, für mich allein

Weitere Kostenlose Bücher