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19 Minuten

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Titel: 19 Minuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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bin ich nichts Besonderes. Aber ich glaube, mit dir könnte ich es sein.
    Er versuchte, den Computer neu zu starten, aber er war abgestürzt. Peter konnte nicht atmen, konnte sich nicht bewegen. Er konnte nichts tun, außer auf seine eigene Dummheit zu starren, da vor seiner Nase, schwarz auf weiß.
    Die Brust tat ihm weh, und er meinte schon, sein Herz höre hier und jetzt auf zu schlagen. Mit einer ruckartigen Bewegung bückte Peter sich nach dem Netzkabel. Dabei stieß er sich so heftig den Kopf an der Schreibtischkante, dass ihm die Tränen in die Augen schossen, zumindest erklärte er es sich damit. Er zog den Stecker, und der Monitor wurde schwarz. Dann lehnte er sich zurück und merkte, dass es eigentlich egal war. Er sah noch immer die Worte auf dem Bildschirm, glasklar. Er spürte die Tasten unter seinen Fingerspitzen.
    In Liebe, Peter Houghton.
    Er hörte sie alle lachen.
    Peter sah wieder auf den Computer. Seine Mutter sagte immer, wenn etwas schiefging, konnte man das als Scheitern sehen oder als Chance, eine neue Richtung einzuschlagen. Vielleicht war das ein Zeichen.
    Peters Atem wurde flacher, als er seinen Rucksack leerte, Schulbücher und Ringhefte herausnahm, den Taschenrechner, Stifte und zerknitterte Arbeitsblätter. Er machte Platz. Für alle Fälle. Für die zwei abgesägten Flinten. Falls er sie holen würde. Dann griff er unter die Matratze und tastete nach den beiden Pistolen, die er dort versteckt hatte, nur für alle Fälle.

Als ich klein war, hab ich manchmal Salz auf Schnecken gestreut und dann fasziniert zugesehen, wie sie sich vor meinen Augen auflösten. Grausamkeit macht immer nur so lange Spaß, bis du merkst, dass ein Wesen leidet.
    Wenn man als Loser bloß ignoriert würde, wäre das ja noch zu ertragen, aber in der Schule picken sie dich gezielt heraus. Du bist die Schnecke, und die anderen haben das Salz. Und sie haben noch kein Gewissen entwickelt.
    Schadenfreude ist das Vergnügen am Leiden anderer, aber die eigentliche Frage ist doch, warum bereitet uns das Freude? Ich glaube, zum Teil aus Selbstschutz, zum Teil aber auch, weil eine Gruppe sich immer mehr als Gruppe fühlt, wenn sie einen gemeinsamen Feind hat. Da spielt es keine Rolle, ob dieser Feind dich überhaupt je mit irgendwas verletzt hat - du musst einfach so tun, als würdest du jemanden noch mehr hassen, als du dich selbst hasst.

Fünf Monate danach
    Vier Stunden lang durchlebte Patrick im Zeugenstand noch einmal den schlimmsten Tag seines Lebens. Die Meldung, die er über Funk erhielt, als er im Auto saß; die Flut von Schülern, die aus dem Gebäude gerannt kamen; die ölige Blutlache, auf der er ausrutschte, als er durch die Flure hetzte. Die heruntergeschossenen Deckenplatten. Die Hilfeschreie. Die Erinnerungen hatten sich eingebrannt, rückten aber erst später ins Bewusstsein: ein Junge in der Turnhalle, der unter dem Basketballkorb in den Armen seines Freundes starb; die sechzehn Kinder, die man erst drei Stunden nach Peters Festnahme eingezwängt in einer Gerätekammer fand, weil sie nicht mitbekommen hatten, dass die Gefahr vorbei war; der Lakritzgeruch der Textmarker, mit denen man den Verwundeten Nummern auf die Stirn geschrieben hatte, um sie später identifizieren zu können.
    Diana Leven hielt eine Videokassette hoch, Beweisstück 522. »Können Sie diese Kassette für uns identifizieren, Detective?«
    »Ja, sie stammt aus dem Sekretariat der Sterling Highschool und enthält die Aufnahmen einer Sicherheitskamera in der Cafeteria vom sechsten März 2007.«
    »Wann haben Sie sich die Aufnahmen das letzte Mal angesehen?«
    »Einen Tag vor Prozessbeginn.«
    »Ist der Film in irgendeiner Weise manipuliert worden?«
    »Nein.«
    Diana wandte sich an den Richter. »Ich möchte den Geschworenen das Band vorführen«, sagte sie, und ein Deputy schob einen Fernseher mit Videorecorder herein.
    Die Qualität der Bilder war einfach, aber sie waren klar und deutlich zu erkennen. In der oberen rechten Ecke sah man die Cafeteriafrauen, die Essen auf die Plastiktabletts der wartenden Schüler schaufelten. Manche Tische waren voll besetzt, und
    Patricks Augen wanderten automatisch zu einem in der Mitte, an dem Josie mit ihrem Freund saß.
    Er aß ihre Pommes.
    Durch die Tür auf der linken Seite kam ein Junge herein. Er trug einen blauen Rucksack, und obwohl man sein Gesicht nicht sehen konnte, war Peter Houghton an seiner schmächtigen Statur und den hängenden Schultern gut zu erkennen. Er verschwand aus dem

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