19 Minuten
Gesellschaft passte, wenn schon nicht in seine eigene.
Er hatte nicht vor, hier mit irgendwelchen Typen rumzumachen, jedenfalls noch nicht. Er wollte bloß wissen, was für ein Gefühl es war, sich unter Männern aufzuhalten, die schwul waren und kein Problem damit hatten. Er wollte wissen, ob sie ihn anschauen und sofort erkennen konnten, dass er einer von ihnen war.
Er blieb vor einem Pärchen stehen, das in einer dunklen Ecke heftig zugange war. Zu sehen, wie ein Mann einen Mann küsste, war so seltsam. Klar, im Fernsehen gab es schon mal schwule Küsse. Aber die Szenen waren ja nur gespielt, wie alles im Fernsehen ... anders als das Schauspiel, das sich ihm jetzt darbot. Er wartete gespannt, ob sein Herzschlag sich beschleunigen würde, ob es ihm irgendwie genau richtig vorkam.
Aber er spürte keine wirkliche Erregung.
Die Männer lösten sich voneinander, und einer von ihnen kniff die Augen zusammen. »Das ist hier keine Peepshow«, sagte er und stieß Peter weg.
Peter stolperte und rempelte einen Mann an der Bar an. »Hoppla«, sagte der, und dann erhellte sich seine Miene. »Wen haben wir denn da?«
»Tschuldigung.«
»Kein Problem.« Der Mann war Anfang zwanzig, hatte weißblonde, kurz geschorene Haare und Nikotinflecken an den Fingern. »Bist das erste Mal hier, was?«
Peter sah ihn an. »Woher wissen Sie das?«
»Du hast diesen Reh-im-Scheinwerfer-Blick.« Er drückte seine Zigarette aus und winkte dem Barkeeper, der aussah, als wäre er gerade einem Modemagazin entstiegen. »Rico, mein junger Freund hier hat Durst. Was möchtest du trinken?«
Peter schluckte. »Pepsi?«
Die Zähne des Mannes blitzten. »Das glaub ich jetzt nicht.«
»Ich trink keinen Alkohol.«
»Ach so«, sagte er. »Ich heiße übrigens Kurt«, sagte der Mann und hielt Peter die Hand hin.
»Peter.«
»Top oder Bottom?«
Peter zuckte die Achseln und tat so, als wüsste er, wovon der Mann redete.
»Donnerwetter«, sagte Kurt erstaunt, »Frisches Blut.«
Der Barkeeper brachte Peter eine Pepsi. »Lass ihn in Ruhe, Kurt. Er ist doch noch ein Kind.«
»Dann sollten wir vielleicht was spielen«, sagte Kurt. »Kannst du Billard?«
Billard war eines der wenigen Spiele, bei denen Peter sich nicht ganz blöd anstellte. »Geht so.«
Er sah zu, wie Kurt einen Zwanziger aus dem Portemonnaie zog und ihn Rico hinlegte. »Stimmt so«, sagte er.
Im Billardraum standen vier Tische, an denen bereits gespielt wurde. Peter setzte sich auf eine Bank an der Wand und studierte
die Leute. Manche berührten einander gelegentlich, doch die meisten benahmen sich wie ganz normale Kumpel.
Kurt holte eine Handvoll Vierteldollarmünzen aus der Tasche und legte sie auf den Rand des Tisches vor ihnen, an dem gerade die letzte Kugel versenkt wurde. Peter dachte, das wäre der Einsatz, um den sie spielen würden, und zog zwei zerknitterte Dollarscheine aus der Tasche. »Das ist keine Wette«, lachte Kurt. »So viel kostet eine Partie.« Er stand auf und begann, die Münzen in einen Schlitz am Tisch zu werfen, der prompt einen bunten Schwall gestreifter und einfarbiger Kugeln ausspie.
Peter nahm ein Queue von der Wand und rieb Kreide auf die Spitze. »Du wettest also gern«, sagte Kurt. »Das könnte interessant werden.«
»Ich setze fünf Dollar«, sagte Peter und hoffte, dass er so älter wirkte.
»Ich wette nicht um Geld. Ich würde vorschlagen, wenn ich gewinne, kommst du mit zu mir nach Hause. Und wenn du gewinnst, gehen wir zu dir.«
Peter fand beide Alternativen wenig verlockend. Er legte das Queue auf den Tisch. »Ich glaub, ich hab doch keine Lust.«
Kurt packte Peters Arm. Seine Augen leuchteten wie kleine heiße Sterne. »Ich hab mein Geld schon eingeworfen. Es kann losgehen. Du wolltest spielen ... also kneif jetzt nicht.«
»Lassen Sie mich los«, sagte Peter. Seine Stimme klang viel zu hoch.
Kurt lächelte. »Aber wir fangen doch gerade erst an.«
Hinter Peter schaltete sich ein anderer Mann ein: »Du hast gehört, was der Junge gesagt hat.« Peter drehte sich um und sah Mr. McCabe, seinen Mathelehrer.
Mr. McCabe hielt ein Bier in der Hand und trug ein Hemd, das seidig schimmerte. Er stellte die Flasche weg und verschränkte die Arme. »Lass ihn los, Kurt, oder ich ruf die Bullen und lass dich rausschmeißen.«
Kurt zuckte die Achseln. »Ach, scheiß drauf«, sagte er und ging zurück in die verrauchte Bar.
Peter starrte zu Boden und wartete darauf, dass Mr. McCabe
irgendwas sagte. Bestimmt würde der Lehrer seine Eltern
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