1902 - Bei den Setchenen
Direktleitung; im selben Moment erschien Nubb Celestains Gesicht auf dem Schirm.
„Schön, daß du anrufst", sagte Tebb.
„Ich wollte deine Meinung zur neuesten Entwicklung hören." Nubb Celestains blaugrüne Gesichtsschuppen schillerten nicht mehr so wie früher, doch war sie immer noch vital und schön.
„Es gibt keine Neuigkeiten, deshalb machen wir weiter wie gewohnt."
„Das freut mich. Wir dürfen jetzt keinesfalls den Kopf verlieren. Wir sind ohnehin ein armes Volk, aber nun würden wir alles verlieren, wenn wir Hals über Kopf das System verlassen. Wir wären auf die Almosen anderer angewiesen - und auf ihre Gastfreundschaft."
„Ich weiß. Niemand ist darauf vorbereitet, doch wenn es zur Warnung kommen sollte, müssen wir es tun."
„Natürlich, Tebb. Du mußt deine Familie und alle Angehörigen in Sicherheit bringen.
Das ist ein weiterer Grund, weswegen ich anrufe."
Tebb horchte auf. „Als erstes würde ich natürlich euch holen."
Nubb neigte verneinend den Kopf auf die rechte Seite. „Nur deine Brutschwestern, Tebb. Alle Kinder und unsere Angehörigen. Wir sind kein großer Haushalt, sie werden nicht viel Platz wegnehmen. Aber ich bleibe hier bei Rist."
„Aber ... das kann ich nicht zulassen!" protestierte Tebb erschrocken.
„Tebb, sei vernünftig", beharrte ihre Mutter. „Rist ist viel zu alt für eine Veränderung, er könnte sie unmöglich überstehen. Und ich bin ebenfalls zu alt dafür, ich möchte mich nicht von ihm trennen. Allein und ohne ihn in der Fremde, das kann ich mir nicht mehr vorstellen. Das verstehst du doch?"
Tebb seufzte. „Natürlich. Ich habe schon genug Sorge wegen Surt. Aber... es wird mir nicht leichtfallen."
„Deswegen gebe ich dir rechtzeitig Bescheid, damit du dich an den Gedanken gewöhnst. Es kann ja immerhin sein, daß es nur zu einer Bebenhaft kommt, sollte der Ernstfall eintreten!
Wir Setchenen leben doch in jeder Hinsicht am Rand allen Geschehens."
„Das müssen wir einfach abwarten, Nubb. Sollte es zum Ernstfall kommen, können wir um so schneller alles organisieren."
„Gosaran mit dir, Tochter."
„Und mit dir, Mutter. Vor allem mit dir."
*
Gegen Mittag machte Tebb sich auf den Weg zum Raumhafen, denn mehrere ihrer Frachter waren zurückgekehrt, und ein weiterer wurde noch erwartet. Sie erhoffte dabei auch, Kontakt mit der GLIMMER aufnehmen zu können und den geheimnisvollen Eismer Störmengord endlich zu Gesicht zu bekommen.
Die Politik spielte im Leben der Setchenen keine ausgeprägte Rolle. So etwas wie Machtstreben lag ihnen völlig fern, sie wollten lediglich für eine große Familie und ein gutes Auskommen sorgen. Diplomatische Verhandlungen mit anderen Völkern waren eine äußerst selten vorkommende Angelegenheit, die von den mächtigsten Handelshäusern übernommen wurde.
Allgemein hatte es sich eingebürgert, daß die erfolgreichsten Setchenen, die regelmäßig an dem berühmten „Handelstisch" zusammenkamen, gleichsam als Regierung auch über das allgemeine Wohl, soziale Einrichtungen, Neubauten, Handelsabkommen und so weiter beratschlagten. Notleidende oder obdachlose Setchenen gab es nicht. Jede Frau, die kein eigenes Haus gründen konnte oder wollte, durfte die Zugehörigkeit zu einem Familienunternehmen frei wählen und wurde ohne Vorbehalte aufgenommen.
Hilfegesuche in Not geratener Artgenossen wurden niemals abgewiesen. Jede Anfrage einer Unternehmerin, gleich welcher Art, wurde mit der Betroffenen diskutiert und zu einer Entscheidung gebracht.
Das Wichtigste im Leben der Setchenen war und blieb das Reisen - um sich von Gosaran inspirieren zu lassen, einen Partner zu finden, ein Haus zu gründen oder sich einen besonderen beruflichen Wunsch zu erfüllen. Viele sparten auch, um sich wenigstens einmal eine Fernreise zu ermöglichen und zu erleben, wie andere lebten - und über die Wunder von Flora und Fauna blühender Planeten zu staunen, die keinen Wassermangel hatten. Beim „Staunen" blieb es allerdings; außerhalb des Quar-Systems, aber in erreichbarer Nähe, gab es auf Wüstenplaneten nur drei winzige Setchenen-Kolonien, die nach Art der Nomaden lebten.
Tebb Celestains Anwesenheit vor Ort .war also in jedem Fall erforderlich, sollte der Bebenforscher tatsächlich einmal die Kommunikation aufnehmen. Bisher hüllte er sich immer noch in geheimnisvolles Schweigen.
„Du kommst gerade zur rechten Zeit, dein letzter Frachter beginnt mit dem Landeanflug", wurde ihr im Überwachungsturm berichtet. Tebb ließ sich
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