1934 - Shabazzas Tagebuch
Hand.
Direktor sechs war im Grunde ein einsames Wesen, seitdem er sich zum Direktor eins wählen lassen und damit begonnen hatte, Schritt für Schritt in der Hierarchie nach oben zu rücken, immer wenn einer der Direktoren „vor ihm" aus Alters- oder anderen Gründen ausgefallen war. Es gab vielerlei solche Gründe.
Im Direktorium wurde nicht selten einer gegen den anderen ausgespielt. Jedem ging es um die Maximierung seiner eigenen Macht. Da war er keine Ausnahme.
Vielleicht bot sich jetzt die Gelegenheit, einen weiteren Schritt zu tun.
Bei Direktor sieben waren die Fremden nicht, die diesen typischen Geruch verströmten. Die Direktoren acht und neun waren mit Direktor zehn noch im Situarion. Der Geruch kam vom Ende des Ganges, von der Tür zu Direktor zehn, die aber nur dieser selbst zu öffnen vermochte. Einer der Direktoren es war damals die Nummer fünf gewesen - hatte einmal versucht, bei Direktor zehn einzubrechen. Er hatte es raffiniert angefangen, war aber gescheitert; und am anderen Tag war er einfach verschwunden gewesen. Niemand wußte, wo er war, und der damalige Direktor vier, der Mullett, war die vorerst vorletzte Stufe in der Rangfolge aufgestiegen.
Direktor sechs hatte sich also nichts anmerken lassen, als er in seine Kabine zurückkehrte. Er hatte die Tür hinter sich geschlossen. An ihr zu lauschen wäre vergeblich gewesen, dazu war sie zu gut isoliert.
Die Frage war nach einiger Zeit, ob sich die Unsichtbaren tatsächlich noch im Gang aufhielten.
Direktor sechs öffnete seine Tür einen Spaltbreit und schnupperte nach draußen. Der Geruch war nach wie vor da, aber schwächer. Ein Mullett konnte die kleinsten Nuancen herausfiltern und deuten.
Direktor sechs öffnete seine Tür ganz und betrat wieder den Gang. Vorsichtig näherte er sich den Türen der Direktoren acht bis zehn. Er konnte völlig ausschließen, daß noch Fremde im Korridor waren. Aber ihre Geruchsspur würde ihm sagen, in welcher Kabine sie sich befanden. Einfach fortgegangen waren sie jedenfalls nicht, das hätte eine deutliche Spur hinterlassen.
Er schnupperte und schnüffelte, bis er sich seiner Sache sicher sein konnte. Es war unglaublich!
„Beim Heiligen Berg!" flüsterte der Direktor. „Sie haben es wirklich geschafft! Sie sind in der Kabine von Direktor zehn verschwunden ..."
Was nun?
Sollte er gleich Alarm schlagen oder warten? Es konnte nicht mehr lange dauern, bis Direktor zehn und seine Begleiter aus dem Situarion zurückkamen. Niemand konnte ihm, Direktor sechs, beweisen, daß er Verdacht geschöpft und sich vergewissert hatte. Er konnte später immer noch den Unschuldigen spielen.
Die Jahre im Direktorium hatten ihn bereits gelehrt, daß es manchmal besser war, unsichtbar im Hintergrund zu warten und anderen das Handeln zu überlassen.
Also zog er sich wieder in seine eigene Kabine zurück und ließ die Tür einen ganz kleinen Spalt weit offen. Dann wartete er. Es verging eine halbe Stunde, bis er die Stimmen auf dem Gang hörte.
Direktor zehn, der „Geruchswandler", wie er ihn auch bei sich nannte, kam mit den Direktoren zwei, drei, acht und neun zurück. Er nannte ihn für sich deshalb „Geruchswandler", weil Direktor zehn an manchen Tagen anders roch als an anderen; weshalb, das hatte Direktor sechs noch nicht herausfinden können, und er war zu vorsichtig, um es wirklich herausfinden zu wollen.
Sechs schloß vorsichtig seine Tür und wartete, bis er sicher sein konnte, daß alle Zurückgekommenen sich auf ihre Unterkünfte verteilt hatten. Erst dann öffnete er die Tür wieder und trat auf den Gang hinaus.
Wenn ihn jetzt jemand gesehep hätte, hätte er ihm immer noch erklären können, daß er wegen eines Problems zu Direktor sieben wolle.
Aber der Gang war verlassen. Direktor sechs schnupperte. Es gab keine neuen Gerüche der Fremden, nur die der Heimkehrer. Das hieß, daß sie immer noch in dem Quartier von Direktor zehn sein mußten.
Man erzählte sich Wunderdinge über die Fallen in Direktor zehns Kabine und den angrenzenden Zellen.
Wenn nur die Hälfte davon wahr war - wie konnten die Fremden diese Fallen überwunden haben, die doch sicherlich einen allgemeinen Alarm auslösen mußten?
Kurz schweiften Direktor sechs’ Gedanken ab. Kurz dachte er daran, daß vielleicht er eines Tages bis hin zum Amt des Direktors zehn aufsteigen könnte. Noch war er relativ jung, die Zeit dafür sollte ihm eigentlich bleiben. Was ihn in diesem Zusammenhang störte, war, daß nicht bekannt war, daß
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