1980 Die Ibiza-Spur (SM)
unteren Teil der Tasche verwahrten Stahlbehälter zu verdecken, der vier Kilogramm Nitropenta enthielt. Die hochwertige Sprengladung war an eine Uhr angeschlossen, die von außen eingestellt werden konnte. Die Bedienung war denkbar einfach. Die in den Rand des Rädchens gestanzten Markierungen entsprachen, wie auf einem Zifferblatt, der Einteilung in zwölf Stunden. Man brauchte nur das Rädchen zu drehen und so die gewünschte Zeit mit einer einzelnen in das Gehäuse gestanzten Markierungslinie in Übereinstimmung zu bringen, und schon lief der Countdown für die Bombe.
Die beiden fuhren in Richtung des Pleskowschen Anwesens, postierten sich an der Zufahrtsstraße, und zwar so weit vom Haus entfernt, daß sie von dort aus nicht gesehen werden konnten. Sie stellten ihren Lieferwagen auf dem Seitenstreifen ab, stiegen aus. Eine dunkle Nachtstunde wäre ihnen lieber gewesen, jedenfalls für den ersten Teil der Aktion, aber sie hofften auch so auf Erfolg, bauten darauf, daß sie, bekleidet mit blauen Monteurkitteln, den Wagen der Firma Krowetter zum Stoppen brächten. Sie hatten nur zehn Minuten gewartet, da bog in etwa fünfzig Metern Entfernung der feuerrote Kombiwagen ein. Sie stellten sich mitten auf die Straße, winkten, und Herles deutete mehrmals auf ihr am Straßenrand stehendes Auto. Diese Situation hatten sie viele Male in allen möglichen Variationen durchgespielt. Natürlich wußten sie, es gab keine Garantie dafür, daß der fremde Wagen auch wirklich anhielt. Aber wenn man die Nerven hatte, lange genug auf der schmalen Straße stehenzubleiben, würde es aller Wahrscheinlichkeit nach klappen.
Es wurde gar keine richtige Nervenprobe. Der Firmenwagen, mit zwei Insassen besetzt, kam ein paar Meter vor ihnen zum Stehen. Am Steuer saß ein schon älterer, grauhaariger Mann und neben ihm ein etwa zwanzigjähriger. Als der Wagen hielt, ging Rüdiger Herles auf die an der Seite des Beifahrers befindliche Tür zu, öffnete sie, hielt seine Pistole, eine LUGER, die er bis dahin unter dem Kittel verborgen hatte, ins Auto und sagte: »Keine Panik! Euch passiert nichts, wenn ihr gehorcht. Rück mal ’n Stück!« Der junge Mann machte sofort Platz, und Herles setzte sich neben ihn.
»Fahr an die Seite!« sagte er zu dem Älteren, »setz dich vor unser Auto!« Auch der Fahrer gehorchte ohne Zögern, fuhr an den Straßenrand. Erst dann wagte er einen zaghaften Protest: »Das könnt ihr doch nicht machen! Die Karre gehört ja gar nicht uns!«
»Halt den Mund!« Herles hielt, über die Schultern des anderen hinweg, die Pistole von hinten auf den Graukopf gerichtet. Inzwischen hatte Vetter sich an die Fahrertür gestellt und sie geöffnet. »Hört zu«, sagte Herles, »wir haben keine Zeit für lange Erklärungen. Noch einmal: Wenn ihr spurt, habt ihr nichts zu befürchten.« Er wandte sich an den Jüngeren: »Wie heißt dein Kumpel?«
»Korschewski, Norbert.«
»Und wo wohnt er?«
»Dachauer Straße. Die Nummer weiß ich nicht.« »Okay. Alter, zeig mal deinen Führerschein!« Der
Fahrer öffnete das Handschuhfach, holte eine ölverschmierte Plastikhülle heraus und reichte sie Herles wortlos hin.
»Gib sie meinem Kumpel!«
Vetter zog den Führerschein heraus und las die Adresse vor. »Stimmt«, sagte er und gab dem Fahrer die Papiere zurück. Der warf sie ins Handschuhfach, schloß die Klappe.
»Folgendes läuft hier ab«, fuhr Herles, zu dem Fahrer gewandt, fort: »Du kommst jetzt mit mir zu Pleskow, und während du die Reparatur machst, guck ich mir da im Haus etwas an. Mehr will ich gar nicht. Nur etwas angucken. Ich habe meine eigene Tasche dabei, du hast deine. Ich nehme keine Waffe mit. Wenn du aber ein einziges Wort davon sagst, daß ich nicht echt bin, wird dein Kollege umgelegt. Und nicht nur er. Mein Kumpel, der hierbleibt, fährt dann auch noch zu dir nach Haus und macht da ziemlichen Ärger mit deiner Familie. Also, keine Zicken! Mein Kollege kriegt das zwar nicht mit, wenn du quatschst, aber wir sind um Punkt sechs verabredet, nicht hier, sondern ein ziemliches Stück entfernt, und wenn ich nicht heil und pünktlich mit dir da erscheine, geht’s los. Ich will nichts weiter als in dem Haus etwas auskundschaften. Nicht für mich. Wir sind ’ne ziemlich große Gang und haben jede Menge Hintermänner. Auch wenn mein Kumpel und ich hochgehen, seid ihr also immer noch dran. Ihr würdet einen faulen Trick keine vierundzwanzig Stunden überleben.«
»Aber wozu das Ganze?« warf der Fahrer ein. »Wir sind
Weitere Kostenlose Bücher