1981 - Richard
einer ihrer Vorgänger.«
»Mein Vorgänger?«, fragte der Mann unschlüssig.
»Nein, nicht direkt. Er war um die Jahrhundertwende Angehöriger des hier stationierten französischen Militärs«, erklärte Georg.
»Um die Jahrhundertwende? Was wollen sie eigentlich hier?«
»Wie gesagt, ich möchte mich erkundigen, ob es irgendwelche Unterlagen über eine gewisse Julie Jasoline gibt, geboren am 17. März 1895 in Allaire, Frankreich, nachweislich hat sie zusammen mit ihren Eltern und ihrer Zwillingsschwester Thérèse Pallet, geborene Jasoline auf Tahiti und den Marquesas gelebt. Leider ist mir nicht bekannt, was aus ihr geworden ist.«
»Also mit so etwas sind sie bei mir völlig falsch. Jahrhundertwende.« Der Beamte schüttelte den Kopf.
Georg lächelte. »Gut, entschuldigen sie, dann können sie mir aber doch sicherlich sagen, wer mir hier im Rathaus weiterhelfen kann?«
»Ich fürchte, hier sind sie ganz falsch. Um die Jahrhundertwende waren wir noch französische Kolonie. Sie müssen nach Paris, hier haben wir kaum die Informationen, die sie suchen.«
»Aber es muss doch Aufzeichnungen geben, über die Menschen, die hier gelebt und gearbeitet haben?«
»Sicher gibt es das, aber nicht hier, sondern in Frankreich. Wir beschäftigen uns hier nur mit aktuellen Problemen. Sie sind doch Tourist. Wenn sie länger als drei Monate auf Tahiti bleiben wollen, dann können sie hier einen Antrag stellen. Das sind zum Beispiel meine Aufgaben. Für die Vergangenheit bin ich nicht zuständig.« Er zuckte mit den Schultern.
Georg spürte, dass er nicht weiter kam, woran auch immer es lag. Er bedankte sich, stand auf und verließ das Büro. Er überlegte noch kurz, es hinter einer anderen Tür zu probieren, verwarf den Gedanken aber wieder. Vielleicht war er die Sache zu schnell angegangen, er war kaum achtundvierzig Stunden auf dieser Insel. Die Uhren tickten hier eben anders als in Europa. Er dachte kurz daran, Liane DeFoube anzurufen und ihr sein Leid zu klagen, in der Hoffnung, sie könnte bei ihren Kollegen ein gutes Wort für ihn einlegen. Wenn er es wirklich tun wollte, sie zumindest um Rat fragen, dann musste er es heute Abend machen. Er schaute auf seine Armbanduhr, hier war es gerade nach zehn am Vormittag, in Europa dagegen begann jetzt die Nacht. Er verließ das Rathaus und drehte sich an der Straße noch einmal zu dem Gebäude um. Nach diesem Misserfolg wollte er unbedingt noch etwas erreichen.
*
Georg hatte die Adresse des Fotolabors, von dem die Abzüge der alten Fotografien stammten. Ein Taxi brachte ihn in eine belebte Einkaufsstraße, in der das Geschäft seinen Sitz hatte. Er stand vor dem Ladenlokal mit dem kleinen Schaufenster, in dem eine Art Fotoausstellung das Tahiti von gestern und heute zeigte. Er hatte die Unterlagen von seiner Recherche in Redon und Allaire mit in die Südsee genommen, auch die Fotografien. Die Eingangstür des Fotogeschäfts besaß eine automatische Klingel, die schrill aber kurz läutete, als er den Laden betrat. Es gab einen Tresen, hinter dem ein Mann stand und gerade Eintragungen in ein Buch vornahm. Georg sah sich kurz um. In einer Ecke stand eine Puppe, gekleidet wie aus der Kolonialzeit, leicht gebückt vor einem großen Holzkasten mit Objektiv. Es war eine alte Fotokamera. In der erhobenen rechten Hand trug die Puppe eine Blitzlichtschiene, die mit ihrem Griff wie ein großes »T« aussah. In die Schiene wurde ein Pulver gestreut, das bei seiner Zündung ein gleißendes Licht auf das warf, was fotografiert werden sollte. Georg stellte sich an den Tresen und holte die Kopien der Fotos heraus, die er über die halbe Erdkugel mitgenommen hatte und die ihren Ursprung eigentlich in diesem kleinen Geschäft hatten. Der Mann am Tresen schrieb die Worte noch zu Ende, die er begonnen hatte, bevor er aufblickte.
»Bonjour«, begann Georg. »Diese Aufnahmen sollen von ihrem Fotolabor stammen«, erklärte er und legte dem Angestellten die beiden Bilder vor. »Ich interessiere mich für weitere solcher Aufnahmen.«
Der Angestellte war Tahitianer, ein Eingeborener. Er nahm die Fotografien und besah sie sich. Er schaute sich die Rückseiten an und fand natürlich keinen Eintrag, da es sich nur um die Kopien handelte. Das was er suchte, befand sich nur auf den Rückseiten der Originale.
»Ich kann Ihnen leider nicht sagen, ob die Bilder von uns stammen«, meinte er. »Diese Abzüge haben wir auf jeden Fall nicht gemacht. Es fehlt unser Stempel.«
»Das hier sind auch nur
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