1981 - Richard
Villa aus dem vorherigen Jahrhundert, das die passende Kulisse für das bevorstehende Ereignis bildete. Er hatte sich bemüht, nicht zu früh einzutreffen. Er wollte Gespräche mit den anderen Gästen vermeiden, die sicherlich im Gegensatz zu ihm nicht gescheitert waren. Er hatte auch Angst, dass der eine oder andere ihn noch kannte, seine Geschichte kannte. Vor der großen Eingangstür stand ein Angestellter, der dezent die Einladungen entgegennahm. Edmund Linz hatte seine Eintrittsberechtigung zunächst in seiner Wohnung liegengelassen. Er saß bereits im Wagen, als es ihm einfiel und er noch einmal ausstieg und zurückging. Zunächst hatte er nicht geglaubt, dass er sie wirklich benötigen würde, aber die Gastgeber legten anscheinend Wert darauf, dass ausschließlich geladene Gäste an der Veranstaltung teilnahmen. Ohne Befürchtungen ließ er sich daher kontrollieren. Sein Name wurde mit denen auf einer Liste verglichen. Sein Bekannter hatte sich erst zwei Tage zuvor abgemeldet und einen Vertreter benannt. Bevor der Vertreter Einlass fand, gab ihm der Mann des Empfangskomitees noch eine Nummernkarte, nicht irgendeine, sondern eine Nummer die vorher schon für ihn bestimmt zu sein schien. Edmund Linz war kaum fünf Schritte in die Villa eingetreten, als ihm auch schon das erste Getränk angeboten wurde. Eine Dame vom Service ließ ihn einen Cocktail von einem Tablett nehmen und zog dann zu anderen Gästen weiter. Später war er froh, dass er wenigsten die eine Hand mit dem Glas beschäftigt hatte, als er durch die Menge der Gäste schritt. Jeder hielt seinen Cocktail fest und schien damit zu signalisieren, dass er dazu gehörte. Dreimal gingen Kellnerinnen und Kellner mit Tabletts voller Getränke an ihm vorüber, bis ihn endlich auch ein Imbiss gereicht wurde. Es war die notwendige Vorspeise, denn die nächsten anderthalb Stunden gab es nur noch einen Ohrenschmaus. Er war einer der Letzten, die eingetroffen waren, denn keine zehn Minuten nach seiner Ankunft, wurden die Gäste in einen großen Saal gebeten, in dem in Reihen angeordnete Stühle vorbereitet waren. Er setzte sich in die zweitletzte von sieben Reihen. Als die Musik begann, zählte er mit den Augen weiter und kam auf achtzehn Plätze pro Reihe. Es waren also über hundert Gäste, die sich hier versammelt hatten. Das Konzert langweilte ihn, Klassische Musik war ohnehin nicht seine Welt. Er glaubte Mozart und Beethoven herausgehört zu haben, wobei er eigentlich immer auf Mozart und Beethoven tippte. Es traten insgesamt drei Interpreten auf. Zuerst betätigte sich ein Jüngling am Klavier und anschließend spielten zwei nicht mehr ganz junge Damen auf der Geige oder Violine. Er nutzte die Zeit, um sich umzusehen, er kannte aber zum Glück keinen der anderen Gäste. Nach dem Konzert verließen die Leute den Saal wieder und begaben sich zurück in die Eingangshalle und in die angeschlossenen Räume, die er erst jetzt erkundete. Es gab noch eine Bibliothek, ein kleineres Esszimmer, das aber auch zwanzig bis dreißig stehende Gäste fasste und einen großen Wintergarten. Diesmal wurden nur Getränke gereicht. Er suchte nach etwas ohne Alkohol. Er dachte an seinen Wagen, den er heute noch selbst wieder nach Hause chauffieren wollte. Er lauschte einer Unterhaltung und wurde in seiner Annahme zumindest zum Teil bestätig. Der Klavierakt war tatsächlich von Mozart, der Rest von Haydn und Vivaldi, also kein Beethoven. Bei Vivaldi musste er an Pizza und an das bevorstehende Dinner denken. Er stand mit drei Herren und zwei Damen in der Bibliothek. Die Damen hatten mit dem Thema Musik begonnen, sich aber nicht lange durchsetzen können. Einer der Herren sprach eine aktuelle politische Debatte an, die zurzeit die Gemüter in Aufruhr versetzte. Edmund Linz selbst vermied es immer, über Politik zu reden, über Politik und Religion, das war auch schon in seinen besseren Zeiten so. In dieser Gesellschaft war es aber anscheinend nicht für jeden ein Tabu. Er beteiligte sich erst an dem Gespräch, als die Versteigerung erwähnt wurde, die die Gäste nachdem Essen zu erwarten hatten.
»Ich besitze seit drei Jahren einen Monet«, brüstete sich ein Herr, der zuvor noch seinen Unmut über ein neues Steuergesetz geäußert hatte. »Ich kann Ihnen sagen, dass ich immer großes Erstaunen damit hervorrufe, man will nicht glauben, dass es nur eine Kopie ist.«
»Wer ist der Künstler, wer malt die Bilder?«, fragte Edmund Linz. »Oder ist es kein einzelner Künstler, ist es
Weitere Kostenlose Bücher