1988 VX (SM)
noch immer nicht zurück ist, sagen sie: Der kommt schon wieder! Oder wie soll ich mir das vorstellen?«
Robert machte eine beschwichtigende Handbewegung.
»Das Problem lösen wir!« sagte er. »Da fällt uns bestimmt was ein. Igor hat absolut recht, es geht nur mit Gewalt. Und es geht nur, wenn wir den Mann einige Tage unter Kontrolle haben. Wir brauchen nun mal jemanden, der das Depot wie seine Westentasche kennt und der bereit ist, auszupacken. Sonst passiert es womöglich, daß wir ins Camp eindringen, was schon schwierig genug sein wird, und dann dastehen wie Hänsel und Gretel, die sich im Wald verlaufen haben. Wir müssen genau wissen, in welchem Bunker das VX liegt. Und wir müssen auch wissen, wie wir in diesen Bunker reinkommen. Und natürlich, wie wir danach verschwinden können, denn ich hab’ keine Lust, dabei draufzugehen oder auch nur geschnappt zu werden und für Jahre hinter Gittern zu landen. Also, dieser Sergeant Haggerty ist unser Mann. Daß er mit Sophie schläft, ist schon mal die halbe Miete.«
»Und du meinst wirklich, den kriegen wir weich?« fragte Pierre, der kleine, etwas blasse Franzose mit dem tiefschwarzen wuscheligen Haar.
»Pierre!« Robert schlug die Hände zusammen. »Du bist doch nicht von gestern! Wie kriegt denn zum Beispiel der Lude seine Küken auf die Piste, wenn sie störrisch sind? Mit Drogen! Ich garantiere dir, in einer Woche hab’ ich jeden so weit, daß er mir aus der Hand frißt, auch Mr. Haggerty. So, und jetzt wollen wir Punkt für Punkt festlegen, auf welche Weise wir ihn uns schnappen, wo wir ihn verstecken und wie wir erreichen, daß auch nicht der leiseste Verdacht in Richtung VITANOVA aufkommen kann.«
Siebzig Minuten später hatten sie ihren Plan fertig. Jeder hatte mitgeschrieben. Anschließend wurden die Notizen auswendig gelernt und die Zettel dann im Kamin verbrannt. Aber die Sitzung war damit nicht beendet; sie machten nur eine Pause. Pierre, Wladimir und Helga gingen in die Küche, um etwas zu essen. Igor und Sieglinde wollten schwimmen, obwohl die Wassertemperatur nur sechzehn Grad betrug. Die anderen drei, Robert, Zayma und Hilario, blieben am Tisch sitzen.
3.
Eine Stunde später war die Pause beendet. Alle saßen wieder an ihren Plätzen. Diesmal hatte Zayma den Vorsitz. Sie war das jüngste Mitglied der VITANOVA, und doch brachten die anderen gerade ihr besonderen Respekt entgegen. Das lag nicht allein an ihren vielfältigen Fähigkeiten, die sie im Trainingslager und durch unermüdliche Selbstschulung erworben hatte, sondern auch daran, daß sie jeden, der mit ihr zu tun hatte, durch ihre exotische Schönheit in Bann schlug.
»Der zweite Punkt«, begann sie, »den wir heute abend zu besprechen haben, ist schwieriger, vor allem komplexer als das Kapitel › Sergeant Haggerty‹. Es geht um die Frage: Wie schaffen wir es, in das Depot hineinzukommen? Robert, Hilario und ich haben heute nachmittag auf unserem Spaziergang ein vorläufiges Modell entwickelt. Es soll jetzt erörtert, akzeptiert, korrigiert oder verworfen werden, je nachdem. Über die Schutzeinrichtungen des GY 350 brauche ich euch nicht mehr viel zu sagen. Sie sind weitgehend bekannt. Etwas Neues gibt es nur über die Führung des Depots zu melden. Da Braden ausgefallen ist, mußte er ersetzt werden. Für ihn gekommen ist ein anderer Colonel , ein Mann aus Texas, unverheiratet, sechsundvierzig Jahre alt, gut aussehend. Er heißt Mike Morrison, war vor seiner Versetzung nach Wasloh in Mannheim stationiert. Er ist seit vier Jahren in der Bundesrepublik, hat davor eine Chemische Kampftruppe in Kalifornien geleitet. Aber er war auch schon viel früher mit C-Waffen befaßt. Als junger Mann gehörte er zur 267. Chemie-Kompanie, die auf Okinawa stationiert war. Er hat die Panne dort miterlebt.«
»Was für eine Panne?« fragte Helga.
»Ach, die Geschichte liegt schon fast zwanzig Jahre zurück. Eine Malerkolonne sollte den VX-Granaten einen neuen Anstrich geben. Beim Abkratzen der alten Farbe haben die Männer eine Granate beschädigt, so daß Gas ausströmte. Ich glaube, es waren über zwanzig Soldaten, die mit Vergiftungserscheinungen in die Klinik mußten. Ob Morrison zu den Betroffenen gehörte, weiß ich nicht, aber wie gesagt, er war bei dieser Kompanie. Das Dossier …«
»Entschuldige«, unterbrach Sieglinde Bühler Zaymas Bericht, »könnte jemand …«, sie sah sich in der kleinen Runde um, »mal erzählen, wie die Vergiftungserscheinungen bei diesen GIs ausgesehen haben? Ich
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