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1991 Atlantik Transfer (SM)

1991 Atlantik Transfer (SM)

Titel: 1991 Atlantik Transfer (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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holte sich die Morsetaste näher heran und fing an zu senden, rief: »CSD4657«, und dann vergaß er vor Eifer oder weil in seinem Kopf der Alkohol noch nachwirkte, als erstes das Rufzeichen der CAPRICHO durchzugeben. Er legte gleich los: »Sind sehr nahe – kommen sofort – …« Die Tür zwischen dem zum Navigationsdeck führenden Gang und dem Funkraum, die Nielson nach seinem Eintritt nur angelehnt hatte, wurde ein zweites Mal aufgerissen.
Leuffen stürmte herein, im Bademantel. Er schloß die Tür hinter sich. Nielson war so entsetzt und aufgebracht, daß er seinen Passagier anschrie: »Sind Sie verrückt geworden?«
Ellerup hatte mitten im Funkspruch innegehalten und dann die Kopfhörer abgenommen. Der so plötzlich aufgetauchte Mann erschien ihm wie ein Gespenst. Und nun sprach dieser Fremde ihn auch noch an, barsch und fordernd: »Was ist los? Was machen Sie da?«
»Ein deutsches Schiff ist in Seenot; ich melde, daß wir in der Nähe sind und kommen.«
Kaum waren seine Worte heraus, da sah er – und Nielson sah es auch – eine schwarze Pistole aus der Tasche des Bademantels hervorkommen, ganz langsam und ruhig, aber deshalb nicht weniger bedrohlich, als wenn sie mit einem Ruck gezogen worden wäre.
»Unterlassen Sie die Meldung!« befahl Leuffen dem Funker, und dann wandte er sich an Nielson: »Ich bleibe jetzt …«, er sah auf die große an der Wand hängende Uhr, »drei Stunden hier oben, und Sie tun nichts! Absolut nichts! Sie lassen Ihren Mann nicht funken und geben auch keine Anweisungen für einen neuen Kurs auf die Brücke! Ich nehme an, nach drei Stunden sind wir so weit weg, daß eine Kursänderung keinen Sinn mehr hätte.«
»Das würde ein Nachspiel haben«, antwortete Nielson. »Für einen Seemann gibt es kein wichtigeres Gebot als das, Menschen, die sich in Seenot befinden, zu retten. Oder es jedenfalls zu versuchen.«
»Das gilt aber nicht«, sagte darauf Leuffen, »wenn dieser Seemann schon eine andere Verpflichtung eingegangen ist und dafür teures Geld nimmt.«
Ellerup bekam große Ohren. Er mochte seinen Kapitän, aber das hier klang nicht gut.
Nielson fragte ihn: »Haben Sie der MELLUM unsere Position durchgegeben?«
Ellerup überlegte. »Nein«, sagte er dann.
»Namen und Erkennungszeichen unseres Schiffes?«
»Nein, auch nicht.«
»Na, sehen Sie?« mischte sich Leuffen ein. Sein Tonfall war jetzt ganz jovial. »Meine Herren, diese Waffe hier …«, er hob die Pistole einmal kurz an, »ist natürlich weiterhin nötig, ich meine, für die nächsten drei Stunden, aber wenn dann alles überstanden ist, bekommen Sie jeder zehntausend Dollar extra, als Schmerzensgeld sozusagen.«
»Für welche Schmerzen denn?« fragte Ellerup.
»Na, die Gewissensqualen.«
»Wir sind dem Havaristen so nahe«, sagte Nielson, »daß er vielleicht unsere Lichter sieht. Dazu kommt der abgerissene Funkspruch. Bestimmt glauben die, es war nur eine momentane Störung, und wir melden uns gleich wieder. Vergessen Sie nicht: Wir sind hier mitten auf dem Atlantik und daher vermutlich deren einzige Hoffnung!«
»Die haben doch Rettungsboote«, entgegnete Leuffen, »und können sich darin tagelang am Leben halten.«
»Eben nicht«, sagte Ellerup. »Ihre Boote sind bei der Explosion kaputtgegangen; eins jedenfalls, und das andere können sie nicht bedienen, wahrscheinlich wegen der starken Schlagseite.
Ist doch klar: Wenn es an Steuerbord gekracht hat und da also das Loch ist, legt sich das Schiff nach Steuerbord, und das heißt, daß sie das Backbordboot nicht wegfieren können, weil es sich nicht mehr ausschwingen läßt. So jedenfalls stell’ ich mir das vor.
Es hängt zwar noch heil in den Davits, drückt aber mit seinem ganzen Gewicht in die verkehrte Richtung. Wenn wir wirklich weit und breit die einzigen sind, die helfen könnten, und es trotzdem nicht tun, werden die Leute wahrscheinlich umkommen.«
»Quatsch!« Leuffen wischte mit der freien Hand Ellerups düstere Prophezeiung weg. »Die haben doch noch andere Möglichkeiten! Zum Beispiel Schwimmwesten, Ringe, Rettungsinseln. Ich bin Segler, kenn’ mich da aus. Jedes Schiff ist heutzutage mit einer Vielzahl an Rettungsmitteln ausgerüstet, und die wiederum sind mit allem möglichen versehen, mit Trinkwasser, Proviant, meistens sogar mit einem Funkgerät.«
»Wer weiß«, sagte Nielson, »wieviel Zeit sie zur Verfügung haben! Jedenfalls, wenn sie nur mit Ring oder Schwimmweste unterwegs sind, dann gute Nacht! Dann sind sie in wenigen Stunden an Unterkühlung

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