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1991 Atlantik Transfer (SM)

1991 Atlantik Transfer (SM)

Titel: 1991 Atlantik Transfer (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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waren einander sympathisch, und darum drängte es ihn nicht, wie sonst meistens nach Beendigung erkaufter Zärtlichkeit, zu raschem Aufbruch, und auch sie sah keinen Grund, den Seemann mit der noch halbgefüllten Flasche allein zu lassen. Sie schenkte wieder ein. Ja, und dann meldete sich plötzlich das Schicksal in Gestalt eines ganz kleinen Tieres, einer Fliege, ohne daß freilich die beiden auch nur im entferntesten ahnen konnten, was der winzige, zunächst nicht einmal sichtbare, sondern nur durch sein Gesumm wahrgenommene Störenfried in Gang setzen würde.
»Woher kommt die denn?« fragte Jonas.
»Faule Gerüche gibt’s hier genug«, antwortete Melanie, »vor allem hinten, wo die Abfalleimer stehen. Und es ist Hochsommer und sehr warm.«
Nun sahen sie die Fliege. Sie kreiste über dem Tisch, und im Licht der Kerze war, wenn auch jeweils nur für einen Moment, der grünblau schimmernde Leib zu erkennen.
»Gleich verbrennt sie sich die Flügel«, sagte das Mädchen.
Jonas Ellerup holte aus, wartete, bis das Tierchen sich wieder über dem Tisch befand, und dann sauste seine Rechte durch die Luft, traf die Fliege im Flug. Der kräftige Schlag sorgte dafür, daß sie in sein Sektglas fiel. Trotz der Wucht war sie nicht betäubt. Sie zappelte an der Oberfläche des eisgekühlten Getränks, und Jonas Ellerup, bei Kleingetier wie Insekten und Würmern nicht zimperlich, so, als gälte das Verbot, Tiere zu quälen, erst vom Frosch und vom Vogel an aufwärts, nahm schnell einen der auf dem Tisch verstreut liegenden Bierdeckel zur Hand und schob ihn auf sein Glas. Da lag nun das runde Stück Pappe wie ein Flachdach auf einem Glashaus, und darunter bemühte sich die so jählings Herabgestürzte, wieder aufzusteigen. Aber sie schaffte es nicht. Einmal erreichte sie die Wand, versuchte, sie zu erklimmen, glitt jedoch wieder ab und trieb erneut zur Mitte.
»Verbrannt ist sie nicht«, sagte Jonas Ellerup und sah der Fliege von der Seite her zu, »statt dessen ertrinkt sie.«
»Ja«, meinte Melanie, »denn sie hat ja nicht mal ’ne Schwimmweste.«
Die Erwähnung der Schwimmweste war es wohl, die in dem alkoholisierten Kopf des Funkers plötzlich doch ein so winziges Exemplar der Tierwelt zu einem Geschöpf werden ließ, das in der Lage war, zu leiden und durch einen Todeskampf zu gehen mit all seinen Schrecknissen. Er nahm den Bierdeckel vom Glas, tauchte Daumen und zwei Finger ins Getränk, fischte mit einer Behutsamkeit, die in krassem Gegensatz stand zu dem erst vor wenigen Minuten gegen dasselbe Tier ausgeführten Schlag, die Fliege heraus und legte sie, ebenso behutsam, auf den Teller seiner linken Hand. Sie schüttelte die Flügel und setzte mehrmals zum Start an. Doch es gelang ihr nicht abzuheben. Vorsichtig hauchte Ellerup sie an, und dabei sahen er und das Mädchen, die immer noch dasaßen, wie Gott sie geschaffen hatte, fasziniert auf die kleine, langsam zu normalen Bewegungen zurückkehrende Kreatur, die auf seiner Hand hin und her zu laufen begann, so, als wollte sie es nun erst mal mit den Beinen und später wieder mit den Flügeln versuchen. Plötzlich hielt sie inne, hob die Vorderbeine an und zwirbelte sie.
»Sie reibt sich die Hände«, meinte Ellerup, »will uns wohl sagen: Jetzt, Leute, muß es klappen!« Kaum hatte er es ausgesprochen, da flog die Fliege davon. »Bravo«, rief er, »sie hat’s geschafft!«
Melanie schüttete Ellerups Sekt in den Eiskübel, schenkte einen Fingerbreit nach, um damit das Glas auszuspülen; erst dann füllte sie es neu.
»Danke«, sagte er. Und dann: »Sie war … ja, sie war wie ein Mensch im Wasser, wie einer von uns, wie ein Seemann, der im Ozean gegen das Ertrinken ankämpft.«
»Bist du schon mal untergegangen mit einem Schiff oder in Seenot gekommen?«
»Nein, aber ich hab’ mitgekriegt, wie einundzwanzig Menschen im Atlantik ertranken.« In seinem Kopf gab es nach dem Genuß von so viel Alkohol kaum noch Barrieren, und da er sich, wie es vielen anderen auch ergeht, darin gefiel, die Gefahren seines Berufes herauszustellen, redete er weiter. Doch mischte er Wahres und Ersonnenes, um nicht die schmachvolle Rolle offenbaren zu müssen, die sein Kapitän und er damals gespielt hatten. »Es war im letzten Winter«, fuhr er fort, »und wir hatten Windstärke zwölf. Da explodierte ganz in unserer Nähe ein Schiff. Es ging sofort unter. Wir hörten die Leute schreien, und mit unseren Scheinwerfern sahen wir sie in den zehn Meter hohen Wellen um ihr Leben kämpfen. Wir

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