1992 Das Theunissen-Testament (SM)
meine Zelle , und der ganze Rummel ginge von vorn los, allerdings mit erheblich verringerten Chancen für mich. Wir brauchen noch drei, vier Tage, dann ist alles überstanden. Bitte, jetzt auf keinen Fall einen Fehler machen!«
»Aber ich sehe nicht ein, daß du die Arbeit anderer übernimmst und dabei dein Leben aufs Spiel setzt.«
»Es geht nur so, Jenny. Wenn ich den Fall hier nicht aufkläre, wird er vielleicht nie aufgeklärt, und die Hamburger verbinden unseren Namen dann für immer mit dem Makel dieses Verbrechens. Ich will, daß du unseren Nachbarn und Bekannten wieder unbefangen gegenübertreten kannst und sie dich niemals mehr scheel ansehen.«
Jenny wurde laut. »Die Hamburger können mir gestohlen bleiben! Was soll ich mit ihnen, wenn ich dich dann nur noch auf dem Ohlsdorfer Friedhof besuchen kann?« Darauf antwortete Olaf nicht gleich. Noch nie hatte er seine Frau so energisch erlebt. »Jenny, ich liebe dich.« Sie rang mit den Tränen. »Ich dich auch. Das ist es ja gerade.«
»Ich mache dir einen Vorschlag. Der Weg zur Polizei ist sowieso beschlossene Sache, nur darf er eben nicht zu früh beschritten werden. Wenn’s aber brenzlig wird, gehen wir sofort hin, das verspreche ich dir.«
»Vielleicht könnt ihr das nicht richtig einschätzen. Ihr meint, morgen ist es früh genug, und noch am Abend kommen die anderen.«
»Das passiert nicht. Wir haben hier ja einen kompetenten Helfer. Es ist der Detektiv, mit dem Jacob zusammengearbeitet hat.«
»In Chile hattet ihr eine Helferin. Sie wurde umgebracht.«
»Ja, aber Henderson ist ein versierter Mann, der sich auskennt. Er hat uns sehr gut untergebracht. Außer den Hotelangestellten weiß niemand, wo wir sind, und die kennen ja unsere Geschichte nicht. Außerdem zieht er die Sache durch, gemeinsam mit Federico und Ernesto. Ich bleibe im Hintergrund, bin also gar nicht in Gefahr.«
»Stimmt das? Ich glaube, du willst mich nur beruhigen.«
»Es stimmt. Noch einmal, Jenny, ich liebe dich, und es ist mein größter Wunsch, bald wieder bei dir zu sein! Und wenn es hier kritisch wird, gehen wir zur Polizei, verlaß dich drauf! Gibst du mir jetzt wieder Jacob?«
»Bitte, Olaf, geh kein Risiko ein!«
»Ich versprech’s dir. Grüß Mira! Bis bald, ja?«
»Bis bald.« Sie übergab den Hörer.
»Hab’ alles mitgekriegt«, sagte Jacob. »Ich verstehe Mutter, aber sie muß einsehen, daß es nicht anders geht.«
»Mach ihr das klar, mein Junge! Immer wieder! Wenn sie meine Identität und meinen Aufenthaltsort preisgibt, ist hier eine halbe Stunde später alles zu Ende, und ich werde in Handschellen abgeführt. Allein schon wegen des Paßvergehens würde man mich festnehmen.«
»Sei unbesorgt, ich werd’ sie überzeugen. Wie sieht es denn aus? Kommt ihr voran?«
»Ja. Dein Mister Henderson ist uns eine große Hilfe. Morgen oder übermorgen kriegst du eine Telefonnummer aus Miami. Sag mal, hast du rausgefunden, mit wem deine Tante sich die Nächte vertreibt?«
»Du hattest recht. Es ist der Autohändler Kastner.«
»Soso! Also dann, Jacob. Kümmer dich gut um Mutter und Mira!«
»Mach’ ich.« Jacob hängte den Hörer ein, legte seine Hände auf Jennys Schultern und schob sie sanft aus der Zelle. Wieder im Auto, sagte er: »Vater bekommt größte Probleme, wenn du Ladiges informierst, und alles bisher Erreichte ist dann für die Katz. Gut, daß du mit ihm gesprochen hast!«
»Meine Bedenken sind nicht ausgeräumt«, antwortete sie, »aber letzten Endes hat wohl doch der Betroffene zu entscheiden.«
»Wie ich’s vorhin schon gesagt hab’!« Darauf gab sie keine Antwort, fragte statt dessen: »Was war denn das mit dem Autohändler Kastner?«
»Ach, eine völlig belanglose Geschichte.« ;
»Dann kannst du sie mir ja erzählen.«
Er zögerte noch, fand es plötzlich aber kindisch, seine Mutter mit irgendeiner ausweichenden Bemerkung abzuspeisen, und so erwiderte er:
»Es ging um Tante Helga. Hab’ neulich beobachtet, wie sie nachts, als sie Wache hatte, mit einem Mann zusammen abgehauen ist. Ich hab’ mich drangehängt und dann mitgekriegt, wie die beiden in seinem Haus herumbumsten.« Er erwartete blankes Entsetzen bei der Mutter, doch sie sagte zunächst nur:
»Das kann man auch anders ausdrücken.«
»Okay. Trotzdem bleibt es dasselbe. Also, dieser Mann heißt Kastner. Hab’ ich auf seinem Namensschild am Haus gelesen und hinterher im Telefonbuch überprüft. Aber wieso haut die Sache dich nicht um?«
»Wenn mich jede von Tante Helgas Eskapaden umhauen würde, wie
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