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1WTC

1WTC

Titel: 1WTC Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich von Borries
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107 Metern Höhe ist es die größte Halle der Welt. Eine Investitionsruine. Nach der Insolvenz der Betreiberfirma wurde das Gebäude an einen Geschäftsmann aus Malaysia verkauft, der dort mit Hilfe von zehn Millionen Euro Subventionsgeldern 2004 eine neue Art von Badelandschaft eröffnete. 64 Prozent Luftfeuchtigkeit, 26 Grad, 50 000 Pflanzen und 200 Meter Sandstrand. Das Paradies der armen Leute: Tag und Nacht geöffnet, 28,50 Euro Eintrittspreis.
    Tom kommt mit seinem Paradies nicht wirklich voran. Der Entwurf wird nicht konkret, er dreht sich im Kreis. Sunner wird allmählich ungeduldig. Doch er hat eben auch bei SOM gut zu tun.
    Er bereitet gerade Detailpläne für die Notstromversorgung vor, als die Chefsekretärin den Raum betritt. Die Kollegen schauen einander fragend an, das nächste Meeting mit den Chefs ist erst für die kommende Woche angesetzt.
    »Kommen Sie mal mit, der Boss will Sie sprechen.«
    Tom speichert die Datei, an der er gerade zeichnet. »Was gibt es denn?«
    »Das weiß ich auch nicht, er will es Ihnen persönlich sagen.«
    Er steht auf und folgt der Sekretärin. Sie gehen zu dem Raum, in dem das Vorstellungsgespräch stattgefunden hat.
    »Ich habe was für Sie«, beginnt der Büroleiter. Er macht eine einladende Geste, Tom folgt ihm zum Empfang, dann einen schmalen Gang entlang und eine Treppe hinunter. In diesem Teil des Gebäudes war Tom noch nie. Schließlich bleiben sie vor einer Tür stehen. Der Büroleiter schließt auf und drückt Tom den Schlüssel in die Hand.
    »Ihr neuer Arbeitsplatz.«
    »Wie bitte?«
    »Ja, gehen Sie schon rein.«
    Ein kleiner Raum. Ein winziges Fenster zu einem der Belüftungsschächte. Ein paar leere Regale, ein großer Schreibtisch, eine Stahltür. Klein, aber ein eigenes Büro.
    »Ihr Telefon.« Der Büroleiter zeigt auf die überdimensionierte Telefonanlage, die auf dem Schreibtisch steht. »Und hier ist noch eine zweite Leitung, die ist abhörsicher. Kommt vom Heimatschutzministerium, für vertrauliche Gespräche.« Er dreht seinen Kopf in Richtung Stahltür. »Da geht es übrigens in den Tresorraum. Ein Hintereingang. Kennt fast niemand außer mir – und jetzt Ihnen. Sie haben ab sofort Zugang zu allen sicherheitsrelevanten Plänen. Das brauchen Sie auch. Sie werden sich von nun an mit dem Sicherheitskonzept im Ganzen beschäftigen. Suchen Sie die Lücken im System. Machen Sie uns auf die Gefahren aufmerksam, an die wir noch nicht gedacht haben. Seien Sie kreativ. Für die Details des Serverraums ist später immer noch Zeit.«
    Tom ist keine zehn Minuten alleine im Büro, schon klingelt das abhörsichere Telefon. Tom hebt ab.
    »Hallo Tom, hier Sunner.«
    »Sunner. Das hätte ich mir ja denken können. War das hier Ihre Idee, Sir?«
    »Wir mussten dich aus diesem Großraumbüro rausholen. Da kannst du ja nicht vernünftig arbeiten, wenn jeder auf deinen Tisch schaut. Es wird nämlich ernst, die Verhöranlage in Polen soll in sechs Wochen stehen.«
    »In sechs Wochen? Sir, das geht doch nicht … Selbst wenn ich den Entwurf in einer Woche fertig habe, muss das Ding ja noch gebaut werden.«
    »Lass das mal unsere Sorge sein, wir haben da schon geeignete Firmen an der Hand. Deine Aufgabe ist klar. Und ich brauche dich wohl nicht daran zu erinnern, wem du den Job bei SOM zu verdanken hast.«
    Tom schluckt. »Okay, Sir, ich hab’s verstanden.«
    »Also, der erste Test in Polen wird jetzt vorbereitet. Mit passenden Klienten aus Afghanistan.«
    Tom starrt durch das kleine Fenster auf die wenige Meter entfernte Mauer. An das Gespräch mit Sunner hat Tom schon eine Weile nicht mehr gedacht, eigentlich hat er es aus seinem Gedächtnis gelöscht. Das hat er im Krieg gelernt: zu vergessen. Dinge, die einen belasten, einfach wegschieben. In ein tiefes Loch irgendwo im Selbst. Tom kennt viele Kameraden, bei denen immer wieder Erinnerungen hochkommen. Die Scharmützel. Die eigene Angst. Schuldgefühle. Posttraumatische Störung, so nennen das die Psychologen. Die Folgen sind bekannt: Drogenmissbrauch, Schwierigkeiten in privaten Beziehungen, Erfolglosigkeit im zivilen Beruf. Es ist nicht leicht, nach dem Krieg im Alltag anzukommen. Aber Tom geht es gut. Er hat nur selten Alpträume. Nur manchmal, wenn es emotional stressig wird, finden im Kopf wieder Gefechte statt.
    Sein kleines Büro sieht Tom nun in neuem Licht. Nicht so groß, dass andere neidisch werden könnten. Ein wenig versteckt, so dass niemand aus Versehen hereinstolpert. Und so weit von den anderen

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