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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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jungen Frauen und verbrachte auch mal mit einer die Nacht. Er genoss es, in einem Restaurant zu sitzen und etwas Exotisches zu essen, die Kellner hin und her zu scheuchen und die Köche mit seinem Wissen um kulinarische Raffinessen zur Weißglut zu bringen. Selbst einen Ausflug mit seinen Mitarbeitern machte er mit, wobei er wie alle geräucherte Brasse zum Bier, leicht gesalzene Gurken zum Wodka und Früchte zum Wein aß.
    Eins jedoch tat Geser nie - sich während der Arbeit etwas zu genehmigen. Eine Flasche Kognak, von einem Dutzend Mitarbeitern der analytischen Abteilung anlässlich des Geburtstags von Juletschka, der jüngsten und von allen geliebten Zauberin der Nachtwache, geleert, hatte den Beteiligten eine Strafe von geradezu genialer Originalität eingebracht. Nicht einmal die Fürsprache Olgas, die ebenfalls an der Feier teilgenommen hatte, konnte sie retten. Für jeden gab es eine individuelle Strafe, die jeweils die empfindlichsten Stellen traf. Juletschka durfte sich zum Beispiel eine Woche lang nicht in der Nachtwache sehen lassen, sondern musste mit ihren Altersgenossen in der Schule hocken, mit den Mädchen aus ihrer Klasse in ein Eiscafe gehen und mit den Jungen ins Kino oder in die Disco. Als Julja wieder in die Wache kam, kochte sie vor Empörung. »Manno-mann«, wiederholte sie noch lange, »wenn ihr wüsstet, wie blöd die sind! Ich hasse sie!«
    Für dieses Ich hasse sie! bekam sie übrigens einen zusätzlichen Straftag aufgebrummt. Und ein langes Gespräch mit Geser zum Thema-. »Kann eine Lichte Zauberin negative Gefühle gegenüber den Menschen empfinden?«
    Nun stand Anton also vor Geser, wollte eigentlich schon in einem Sessel Platz nehmen, erstarrte jedoch und vergaß es völlig, sich hinzusetzen.
    »Setz dich nur«, ließ es sich Geser nicht nehmen, ihn noch einmal aufzufordern. »Stehen ist nämlich auch nicht billiger. Was ist, willst du nun ein Bier?«
    »Ist irgendwie nicht das Wetter dafür«, antwortete Anton und deutete mit dem Blick zum Fenster. Draußen fielen große, schwere Schneeflocken. Weiße Weihnachten, wie sie im Buche standen. »Nicht das Wetter und... wohl auch nicht der Ort, oder?«
    Zu seiner eigenen Überraschung kam das Letztere als Frage heraus.
    Geser dachte kurz nach. »Vielleicht sollten wir irgendwo hingehen, wo es nett ist«, meinte er mit einem Hauch von Interesse. »Vielleicht in ein kleines Cafe im Südosten, da treffen sich die Zahnärzte. Kannst du dir das vorstellen? Das Lieblingscafe der Moskauer Dentisten! Außerdem gibt es noch eine Pizzeria am Weißrussischen Bahnhof, da ist immer mächtig was los ...«
    »Boris Ignatjewitsch«, platzte es aus Anton heraus. »Wo graben Sie nur immer all diese Lokale aus? Ein Restaurant der alpinen Skifahrer, eine Lesbenbar, eine Kantine für Klempner, eine Pelmenistube für Philatelisten...«
    »Anton, mein Lieber.« Geser breitete die Arme aus. »Ich möchte dich noch einmal daran erinnern, wem unsere Arbeit gilt. Unsere Arbeit gilt...«
    »Den Dunklen«, brummte Anton und setzte sich in einen Sessel.
    »Nein, mein Junge. Da irrst du dich. Wir arbeiten mit den Menschen. Und die Menschen, das ist keine Herde geklonter Schafe, die synchron Gras kauen und alle gleichzeitig pupsen. Jeder Mensch ist ein Individuum. Darüber sind wir froh, denn es macht den Dunklen die Arbeit schwerer. Darüber sind wir aber auch betrübt, denn es macht auch uns die Arbeit schwerer. Und um die Menschen wenigstens ansatzweise zu verstehen - schließlich führen die Wächter des Tages und der Nacht diese endlose Schlacht um ihre Seelen -, müssen wir sie alle kennen. Nicht nur ich, verstehst du? Wir! Und wir müssen jeden verstehen, vom pickligen Teenager, der in der Disco Ecstasy einwirft, bis hin zum alten Professor mit blauem Blut in den Adern, der seine ganze Freizeit seiner Kakteenzucht widmet ... Übrigens, die Bar, in der sich die Kakteenzüchter treffen, bietet eine höchst interessante Küche und eine ausgesprochen originelle Inneneinrichtung. Aber wir beide können jetzt nirgendwo hingehen. Spürst du den Schutz?«
    Anton nickte.
    »Glaub mir, ich habe guten Grund, ihn einzurichten. Die Sicherheit an einem Ort voller Menschen zu gewährleisten wäre viel schwieriger. Eine solche Verschwendung von Kraft kann ich mir im Moment vermutlich nicht leisten ...« Geser fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und seufzte. Er sah in der Tat müde aus. »Ach ja ... nimm das. Es ist ein kleines Geschenk.«
    Verwundert nahm Anton aus seiner Hand

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