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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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in ihrer Maschine sitzen.
    »Sie haben beschlossen, uns bis nach Prag zu begleiten«, meinte Raivo nach einer Weile. »Die nehmen die Sache aber ernst.«
    »Nein, Bruder. Nein«, widersprach Juha kopfschüttelnd. »Irgendwas stimmt hier nicht. Ihr werdet schon sehen: Die wollen noch was von uns...«

Eins
    Geser rief Anton am Abend zu sich, als die Analytiker und Techniker gerade Feierabend machten, während die Fahnder, die nachts auf Streife gehen sollten, nach und nach im Haus eintrudelten. In den Fluren des ersten Stocks roch es nach frisch gebrühtem Kaffee, heißen Zimtbrötchen und einem leichten aromatischem Tabak - in diesem Jahr war fast die ganze Nachtwache der Mode des Pfeiferauchens erlegen. Sogar die Frauen.
    Anton arbeitete bereits seit einem Jahr nicht mehr im Informationszentrum, seinen Platz als Herr über die Computer und Vorgesetzter der Systemadministratorinnen nahm jetzt Tolik ein. Ein Magier zweiten Grades - und dieser Rang war Anton zu Beginn des Jahres zugesprochen worden - war zu bedeutsam, um seine Zeit am Schreibtisch abzusitzen, auf die Tastatur einzuhacken und Programme passend zu machen.
    »Willst du einen Kaffee?«, fragte Semjon. Anton nickte. Im gleichen Moment klingelte das Telefon. In dem Zimmer, in dem vier Fahnder saßen - Anton, Semjon, Garik und Bär - senkte sich sofort Stille herab. Einen Anruf des Chefs vermochte jeder zu erspüren.
    Und wem er galt, ebenfalls.
    Unter dem gespannten Blick seiner Kollegen ging Anton an den Apparat.
    »Komm zu mir, sobald du kannst«, befahl Geser, ohne ihn zu begrüßen. »Trink deinen Kaffee aus und komm her.«
    »Gut«, antwortete Anton mit gelassener Stimmer. »Wird gemacht, Boris Ignatjewitsch.«
    Er dachte nach und rauchte eine Pfeife an. Wenn Geser ihm nicht ausdrücklich zu verstehen gab, dass die Zeit drängte, brauchte er sich nicht sonderlich zu beeilen.
    »Was ist los? Soll dir der Kopf gewaschen werden?«, fragte Garik. Anton zuckte nur mit den Schultern. Los sein konnte vieles. Angefangen von einer Anklage, die Nachtwache verraten zu haben, bis hin zu einer Beförderung. Von der Forderung, im Büro zu sitzen und nicht die Nase vor die Tür zu stecken, bis hin zum Befehl, das Hauptquartier der Dunklen zu stürmen. Wenn ein Magier höchsten Grades sich etwas überlegt, braucht man gar nicht erst zu versuchen, hinter seine Pläne zu kommen. Und schon gar nicht, wenn dieser Magier sich in einer derart miserablen Gemütsverfassung befindet wie Geser in den letzten Monaten.
    Im Grunde erging es ihnen allen so. In diesem Jahr folgte eine Niederlage der nächsten. Alles hatte im Sommer begonnen, als die banale Verhaftung einer ungesetzlich praktizierenden Hexe in einer Auseinandersetzung mit den Dunklen gemündet war. Igor hatte sich in diesem Kampf verausgabt, der verdienstvolle, gute Igor Teplow, weshalb ihm ein Aufenthalt im Artek genehmigt worden war, damit er wieder zu Kräften kam. Dort war er jedoch auf eine Intrige der Dunklen hereingefallen. Es war der Hexe Alissa Donnikowa gelungen, ihn zu verzaubern und in sie verliebt zu machen, jenes Dunkle Luder, die Freundin Sebulons, die bereits mehrmals in die schlimmsten Ränkespiele gegen die Nachtwache verwickelt gewesen war. Diesmal hatte Alissa allerdings ihre Strafe bekommen - Igor hatte sie töten können. Dabei war er jedoch über die Grenzen der zulässigen Selbstverteidigung hinausgegangen; sein Schicksal hing jetzt an einem seidenen Faden.
    Vor einem Monat war schließlich Witali Rohosa aufgetaucht, und das hatte zu einer verheerenden Niederlage geführt. Zunächst hatten sie ihn für einen gewöhnlichen Dunklen gehalten, dann war der Verdacht aufgekommen, der zugereiste Ukrainer sei ein Emissär, der der Tagwache zu Hilfe komme. Rohosa hatte sich jedoch als Spiegel herausgestellt, ein höchst seltener Fall, den die Wächter des Tages und der Nacht in ihrer gesamten Geschichte weniger als ein Dutzend Mal zu verzeichnen hatten. Faktisch handelte es sich bei ihm um eine unmittelbar aus dem Zwielicht hervorgegangene Erscheinung, das einen völlig unscheinbaren Menschen, bei dem es sich noch nicht einmal um einen Anderen handeln musste, in eine fürchterliche Kampfmaschine verwandelte. Wenn sie das von Anfang an gewusst hätten ... Aber das hatten sie nicht. Im Kampf mit dem Spiegel war Tigerjunges gestorben, hatte Swetlana ihre Kraft verloren, und etliche Magier hatten mehr oder weniger großen Schaden davongetragen.
    Alles stand sehr, sehr schlecht...
    Wieder und wieder hatte

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