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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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hat all ihre Kraft geopfert. Da ist es nicht verwunderlich, dass sie ein paar Fragen hat.«
    Ich riss den Kopf hoch.
    Sebulon wirkte sehr ernst. Ohne jeden Hauch von Spott oder Ironie.
    »Aber...«, setzte die Lemeschewa an.
    »Hat hier nicht gerade jemand was von Gehorsam gesagt?«, unterbrach Sebulon sie. »Schweigen Sie.«
    Die Lemeschewa erstarrte.
    Sebulon erhob sich hinter seinem Tisch. Kam langsam auf mich zu - ich sah ihn unverwandt an, erhob mich aber nicht.
    »Dieses dumme Weib«, meinte Sebulon, »ist solche Anstrengungen nicht wert. Natürlich nicht. Aber die Operation gegen die Nachtwache war von außerordentlicher Bedeutung. Und keine eurer Kampfwunden ist vergebens.«
    Ich kam mir wie angenagelt vor.
    »Vielen Dank, Sebulon«, erwiderte ich. »Es wird mir leichter fallen, die nächsten Jahre zu überstehen, wenn ich weiß, dass ich mich nicht vergeblich verausgabt habe.«
    »Welche Jahre, Alissa?«, fragte Sebulon.
    Es war komisch ... ein ganzes Jahr lang hatten wir kein Wort miteinander gewechselt ... selbst Befehle hatte ich nicht von ihm persönlich erhalten ... und jetzt sprach er mit mir - und schon saß in meiner Brust wieder ein kalter, pikender Klumpen ...
    »Der Heiler hat gesagt, dass ich sehr lange brauchen werde, bis ich wieder in Form bin.«
    Sebulon lachte. Und streckte ganz überraschend die Hand aus! Um mir über die Wange zu tätscheln. Zärtlich... und so vertraut ...
    »Wen interessiert schon, was der Heiler gesagt hat...«, meinte Sebulon gutmütig. »Der Heiler hat seine Meinung ... ich meine.«
    Er nahm seine Hand weg, und ich konnte mich nur mit Mühe beherrschen, ihr nicht mit der Wange zu folgen...
    »Ich glaube, niemand wird mir widersprechen, dass der Erfolg der heutigen Operation weitgehend Alissa Donnikowa zu verdanken ist?«, fragte Sebulon.
    Ha! Den wollte ich sehen, der jetzt etwas einzuwenden wagte!
    »Wir haben uns alle beachtlich angestrengt...«, gab die Lemeschewa vorsichtig zu bedenken.
    »An euerm Zustand kann man leicht erkennen, wer sich wie angestrengt hat.«
    Sebulon ging zum Tisch zurück, setzte sich aber nicht wieder, sondern lehnte sich nur gegen die Kante. Erstarrte und sah mich an. Als ob er mich durchs Zwielicht aufmerksam abtastete.
    Bloß dass ich das nicht wahrnehmen konnte...
    »Sind alle damit einverstanden, dass die Tagwache Alissa helfen muss?«, erkundigte sich Sebulon.
    In den Augen der Lemeschewa funkelte es böse auf. Irgendwann einmal war die alte Hexe selbst die Freundin von Sebulon gewesen. Deshalb hatte sie mich gehasst, als ich seine Favoritin gewesen war ... deshalb war ihr Zorn sofort dem Mitleid gewichen, sobald sich der Chef von mir abgewandt hatte.
    »Wenn wir hier schon von Hilfe sprechen«, setzte sie an, »da hat Karl Lwowitsch eine interessante Parallele aufgezeigt. Wir sind bereit, unsere Kraft mit Alissa zu teilen, nur wäre das so, als gäben wir einem Verhungernden ein Stück Speck statt Brühe. Aber natürlich bin ich bereit, es zu versuchen...«
    Sebulon wandte ihr den Kopf zu, und die Lemeschewa hielt die Klappe.
    »Wenn Brühe nötig ist, wird sie Brühe bekommen«, sagte er mit sehr freundlicher Stimme. »Ihr könnt gehen.«
    Als Erste sprangen die Vampirbrüder auf, dann erhoben sich die Hexen. Ich suchte mit den Füßen nach meinen Sandaletten.
    »Alissa, wenn es nicht zu viel Umstände macht, bleib noch«, bat Sebulon.
    In den Augen der Lemeschewa loderte etwas auf - was sofort verlöschte. Sie verstand, was ich zu glauben mich immer noch fürchtete.
    Ein paar Sekunden später fanden Sebulon und ich uns allein im Raum wieder. Schweigend sahen wir einander an.
    Meine Kehle trocknete aus, meine Zunge versagte mir den Dienst. Nein, das kann nicht sein ... zwecklos, sich da etwas vorzumachen
    »Wie fühlst du dich, Alja?«, fragte Sebulon.
    Alja nennt mich nur meine Mutter.
    Und Sebulon. Früher.
    »Wie eine ausgequetschte Zitrone«, sagte ich. »Bin ich wirklich so eine schreckliche Idiotin? Dass ich mich bei einer absolut belanglosen Arbeit total verausgabe?«
    »Du bist klug, Alja«, erwiderte Sebulon.
    Und lächelte.
    Genau wie früher. Ganz genauso.
    »Aber jetzt bin ich...«
    Ich verstummte, denn Sebulon kam auf mich zu - und jedes weitere Wort wurde überflüssig. Ich konnte mich nicht einmal aus dem Sessel erheben: Ich schlang die Arme um seine Beine, umarmte ihn, schmiegte mich an ihn - und fing an zu weinen.
    »Du hast heute eine unserer besten Operationen eingeleitet«, sagte Sebulon. Seine Hand zerzauste mir

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