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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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ich...
    »Man kommt doch nicht umhin anzuerkennen«, verkündete Pawel, während er an seinem Wein nippte, »dass die Beziehung der Leitung zu uns Mitarbeitern auf der Höhe ist!«
    Ich nickte.
    »Nimmst du dagegen die Lichten ...« Er legte in das Wort so viel Verachtung, wie ihm zu Gebote stand. »... das sind weitaus größere Individualisten als wir.«
    »Jetzt übertreib mal nicht«, entgegnete ich. »Das stimmt ja nun doch nicht.«
    »Ach komm, Alissa!« Der Wein löste ihm die Zunge. »Weißt du noch, wie wir vor einem Jahr alle in der Absperrkette standen? Bevor der Orkan losbrach?«
    Vermutlich erinnerte ich mich überhaupt nur wegen dieser Kette an Pawel. Tiermenschen erledigen die Drecksarbeit, und unsere Wege kreuzen sich selten. Mal bei Sondereinsätzen oder in den seltenen Fällen, in denen das gesamte Personal der Wache zusammengerufen wird.
    »Ja.«
    »Also, dieser... Gorodezki. Diese Leuchte! Pah!«
    »Er ist ein sehr starker Magier«, widersprach ich erneut. »Ein sehr starker.«
    »Klar doch! Er hat Kräfte zusammengerafft, aus den Leutchen das Letzte herausgepresst - und wozu? Wofür hat er das alles ausgegeben?«
    »Für die eigene Remoralisation.«
    Ich kniff die Augen zusammen und rief mir in Erinnerung, wie das ausgesehen hatte.
    Eine Lichtfontäne, die in den Himmel schlug. Energieströme, die Anton aus den Menschen geschöpft hatte. Er hatte alles auf eine Karte gesetzt, indem er das Risiko eingegangen war, sich Kraft zu leihen, um einen kurzen Augenblick über Kräfte zu gebieten, die sich mit den Möglichkeiten von Sebulon und Geser vergleichen ließen oder diese gar überstiegen.
    Und hatte die gesamte Kraft ungehemmt auf sich gelenkt.
    Eine Remoralisation. Die Suche nach einem ethisch optimalen Ausweg. Was die Lichten am meisten fürchten, ist, Schaden anzurichten, einen Fehler zu machen, der den armen kleinen Menschen Böses bringt.
    »Das ist doch jetzt ein Superegoist!«, meinte Pawel genüsslich. »Hätte er seine Freundin retten können? Ja. Hätte er sich mit uns anlegen können? Erst recht! Aber was hat er gemacht? Er hat sich selbst alles genommen, was er gesammelt hatte! Noch nicht mal dem Orkan wollte er Einhalt gebieten ... obwohl er es gekonnt hätte! Ohne weiteres!«
    »Wer weiß, wozu es geführt hätte, wenn er sich anders verhalten hätte?«, fragte ich.
    »Aber er hat sich verhalten wie einer von uns! Wie ein echter Dunkler!«
    »Dann wäre er jetzt in der Tagwache.«
    »Er kommt schon noch zu uns«, meinte Pawel überzeugt. »Ganz bestimmt. Es wird ihm leid um die Kräfte getan haben, und deshalb hat er sie für sich ausgegeben. Danach musste er nach Rechtfertigungen suchen, à la ich habe alles getan, um die richtige Entscheidung zu treffen ... Doch wie sah seine Entscheidung aus? Er hat sich nicht eingemischt! All das nur, um sich nicht einzumischen! So verhalten wir uns, das ist ein typisch Dunkles Verhalten.«
    »Da will ich mich gar nicht mit dir streiten, Pawluscha«, sagte ich.
    Der Flieger erbebte und fuhr das Fahrgestell aus. Jemand stieß einen kurzen Schrei aus.
    Auf den ersten Blick hatte der Tiermann Recht. Ich brauchte mir nur Sebulons Gesicht in den ersten Tagen nach dem Orkan in Erinnerung zu rufen. Keine schöne Miene, die er da aufsetzte, das konnte ich durchaus erkennen. Als hätte er - im Nachhinein! - begriffen, dass er hereingelegt worden war.
    Pawel erging sich noch immer in den Feinheiten des Kampfes zwischen den Wächtern des Tages und der Nacht, über das unterschiedliche Herangehen und langfristig geplante Operationen. Ein Stratege, der in einer Kommandozentrale sitzen sollte, aber nicht durch die Straßen patrouillieren.
    Plötzlich begriff ich, wie er es fertig gebracht hatte, mich während des zweistündigen Flugs so zu ermüden. Dabei machte er auf den ersten Blick einen angenehmen Eindruck...
    »In was verwandelst du dich, Pawluscha?«, fragte ich.
    Er schnaubte. »In eine Echse«, gab er widerwillig zu.
    »Oho!« Voller Interesse sah ich ihn mir erneut an. Solchen Tiermenschen begegnet man wirklich selten, das ist was andres als ein stinknormaler Werwolf wie der tote Witalik. »Alle Achtung! Und warum sehe ich dich dann fast nie bei Operationen?«
    »Ich ...« Pawel verzog das Gesicht. Holte ein Taschentuch heraus und betupfte sich die schweißige Stirn. »Die Sache ist die...«
    Köstlich, wie er sich wand - ganz wie ein Schulmädchen, das etwas ausgefressen hat, beim Gynäkologen.
    »Ich verwandle mich in eine Pflanzen fressende

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