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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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ein Magier?
    Wenn ich ehrlich sein sollte, hatten mich die Worte des Lichten Sergeanten nicht im mindesten verwundert. Vampire, Tiermenschen, Inkubi... All sie gab es. Natürlich. Aber nur für uns, für die Anderen. Für die gewöhnlichen Menschen existierten sie nicht. Allerdings sind die Menschen die Quelle für die Existenz der Anderen. Die Wurzeln und die Nahrung. Sowohl für die Lichten wie auch für die Dunklen, was auch immer die Lichten an jeder Ecke herausposaunen mochten. Sie schöpften ihre Energie ebenfalls aus menschlichem Leben. Und unsere Ziele ... Unsere Ziele sind ohnehin dieselben. Sowohl wir wie auch die Lichten versuchen die Konkurrenz einzuholen und als Erste am Ziel zu sein.
    Von weiteren überraschenden Erkenntnissen hielt mich das Klopfen an der Tür ab - man brachte mir das Abendessen. Nachdem ich das Zimmermädchen mit hundert Rubel abgespeist hatte (woher hatte ich nur diese herrenhafte Art, übermäßig hohe Trinkgelder zu verteilen?), versuchte ich mich erneut zu konzentrieren, doch anscheinend hatte ich meinen Faden verloren. Schade.
    Die nächste Stufe hatte ich gleichwohl erklommen. Zumindest wusste ich jetzt, dass es verschiedene Arten von Anderen gibt. Lichte und Dunkle. Ich war ein Dunkler. Die Lichten liebte ich nicht gerade, konnte aber auch nicht sagen, dass ich sie hasste. Schließlich waren es ebenfalls Andere, selbst wenn sie sich von Prinzipien leiten ließen, die sich von unseren unterschieden.
    Außerdem schwante mir langsam, was sich hinter dem verbarg, womit ich dem Tiermenschen im Park gedroht hatte, was hinter der glatten und gewichtigen Bezeichnung »Nachtwache« steckte. Dabei ging es um nichts andres als die Überwachung der Dunklen in der Nacht, denn die Zeit der Dunklen war nun einmal die Nacht. Natürlich gab es auch eine Tagwache. Sie bestand aus unseren eigenen Leuten, doch mit denen musste man auch rechnen, denn man brauchte nur etwas falsch zu machen, und die eigenen Leute würden einem nicht gerade über den Kopf streichen. Das ganze System befand sich in einem labilen Gleichgewicht, suchte doch jede der beiden Seiten unablässig nach einem Weg und nach Möglichkeiten, die Konkurrenz zu zerschlagen, um endgültig die alleinige Herrschaft über die Welt der Menschen zu erlangen.
    So viel dazu. Von dieser Stufe ließ sich bislang nicht mehr im mich umgebenden Zwielicht erkennen...
    Den Ruf hörte ich, als ich mit dem Essen fast fertig war.
    Nicht laut und nicht leise, nicht mitleidig und nicht herrschsüchtig. Derjenige, dem er galt, hörte ihn auch. Und konnte ihm nicht widerstehen.
    Der Ruf galt nicht mir. Komisch, dass ich ihn hörte...
    Das hieß, ich musste handeln.
    Ein nicht zu fassendes Etwas in mir gab mir bereits Befehle. Zieh dich an! Die Tasche in den Schrank! Verschließ die Fenster und die Tür! Und zwar nicht nur mit Schloss und Riegel, du Hohlkopf!
    Ich schöpfte Kraft, wo immer ich sie auch herkriegen konnte, und sorgte dafür, dass sich die Menschen nicht für mein Zimmer interessieren würden. Und Andere hatten hier sowieso nichts verloren.
    Im Nebenzimmer wurde plötzlich ein sternhagelvoller Syrer wieder nüchtern. Eine Etage tiefer kotzte sich ein Tscheche, dem sein Magen zu schaffen machte, endlich aus und verstummte erleichtert, das Klosett umschlungen. Im Zimmer gegenüber gab ein älterer Geschäftsmann aus dem Ural zum ersten Mal im Leben seiner Frau eine Ohrfeige, womit ein langer und ermüdender Streit seinen Abschluss fand - eine Stunde später würde das Paar im Restaurant im ersten Stock Versöhnung feiern. Sollte ein Lichter in der Nähe sein, hätte ich ihm damit ein echtes Festmahl serviert...
    Aber das interessierte mich kaum. Ich folgte dem Ruf. Dem Ruf, der nicht mir galt.
    Der Abend ging nahtlos in die Nacht über. Der Prospekt lärmte, pfeifend drang Wind in die offenen Türen der Oberleitungsbusse. Aus irgendeinem Grund verdrängten die natürlichen Töne die Stimmen der Zivilisation. Vielleicht, weil ich lauschte?
    Von rechts, den Prospekt entlang. Genau.
    Nachdem ich mir die Mütze tief ins Gesicht gezogen hatte, trat ich auf den Gehsteig hinaus.
    Als ich fast bei dem langen Haus angekommen war, in dessen Schaufenstern schlecht gemachte Samowarattrappen ausgestellt waren, brach der Ruf ab. Doch ich wusste bereits, wohin ich mich wenden musste.
    Das nächste Haus, und dahinter, fast ganz an der Kreuzung, lag ein schmaler Durchgang. In dem echter dichter Nebel wallte.
    Der Wind nahm perfiderweise zu, schlug mir ins

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