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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Hotel Kosmos.
    Man kann sagen, was man will, aber das Leben ist irgendwie einfacher, wenn man das Ziel seiner Reise kennt. Erleichtert atmete ich auf, drehte mich zu meiner Tasche um und lächelte sogar meinem verschwommenen Spiegelbild in der Glasscheibe der Tür zu. Das Glas wies ebenfalls Spuren der überbordenden Aktivität der städtischen Affenmenschen auf - aus dem Hinweis SCHEIBE NICHT BERÜHREN war inzwischen das rätselhafte Bekenntnis SCHEIßE ICH RÜHRE geworden.
    Ich brauchte keine Erinnerungen, um mir den unbekannten Urheber dieser Tatbeschreibung vorzustellen. Diesen vermutlich dreckigen und selbstzufriedenen Affen, der sein Leben lang Scheiße rührt. Der einem Menschen gar zu ähnlich und gerade deshalb schmutzig und dumpf ist...
    Nur gut, dass ich ein Anderer bin - und kein Mensch.
    Dann der Prospekt Mira. Eine Treppe, eine Biegung nach rechts, die Rolltreppe, und der Zug kam auch gerade. Rishskaja. Alexejewskaja. WDNCh. Raus aus der Metro, dann nach rechts - das hatte ich immer gewusst.
    Eine sehr lange Rolltreppe, auf der mir aus irgendeinem Grund kein einziger vernünftiger Gedanke in den Kopf kommen wollte. Schon wieder diese aufdringliche Reklame. Dann eine Unterführung. Und das Hotel. Das hufeisenförmige Monster der französischen Architektur. Das Hotel hatte sich übrigens verändert, und zwar merklich. Nun zierten es beleuchtete Schilder und grelle Lichter; auch hier ein Casino, als Preis ein ausländischer Wagen auf einem Postament. Ein paar leicht bekleidete Mädchen rauchten ungeachtet des Frosts vor dem Hotel. Drinnen gab es einen Portier, in dessen Hand ein Hunderter blitzartig verschwand. Dafür nahm er mir umgehend meine Tasche ab und geleitete mich zur Rezeption.
    Es war nicht besonders spät, weshalb im Foyer noch recht viele Menschen waren. Jemand telefonierte laut übers Handy, schickte durch die ganze Eingangshalle arabische Sätze, und von mehreren Seiten zugleich drang Musik heran.
    »Ein de luxe«, sagte ich beiläufig. »Ein Einzelzimmer. Und bitte keine Anrufe und keine Mädchen. Ich bin hergekommen, um zu arbeiten.«
    Geld ist eine großartige Sache. Umgehend bekam ich ein Zimmer, das Abendessen wollte man mir dort servieren; außerdem versicherte man mir, es werde niemand anrufen, was ich jedoch nicht so recht glauben wollte. Da ich einen ukrainischen Ausweis hatte, sollte ich die Registrierung gleich vornehmen. Also meldete ich mich an. Doch statt gehorsam zum Fahrstuhl zu gehen, wo man mich hingeschickt hatte, steuerte ich auf eine unscheinbare Tür in der dunkelsten und leersten Ecke des Foyers zu.
    An dieser Tür hing kein Schild. Gar keins.
    Der Mann an der Rezeption blickte mir mit ungekünstelter Achtung nach. Alle übrigen bemerkten mich meiner Ansicht nach überhaupt nicht mehr.
    Hinter der Tür lag ein heruntergekommenes Büro - vermutlich der einzige Raum in diesem Hotel, der nicht europäisch wirkte, sondern förmlich aus den tiefsten Siebzigern der Sowjetzeit zu stammen schien.
    Ein gewöhnlicher Schreibtisch, noch nicht völlig abgenutzt, der aber doch schon allerhand mitgemacht hatte, ein gewöhnlicher Stuhl und ein veraltetes polnisches Telefon der Marke »Aster« mitten auf dem Tisch. Auf dem Stuhl thronte ein schwächliches Männchen in der Uniform eines Sergeanten der Miliz. Er bedachte mich mit einem fragenden Blick.
    Der Sergeant war ein Anderer. Ein Lichter übrigens, das begriff ich auf Anhieb.
    Ein Lichter... Hm. Und was war ich dann? Offenbar kein Lichter. Ganz bestimmt kein Lichter.
    Damit wäre diese Frage also auch geklärt.
    »Guten Tag«, begrüßte ich ihn. »Ich möchte mich in Moskau registrieren lassen.«
    »Die Registration erfolgt an der Rezeption ...«, informierte mich der Milizangehörige mit einer Mischung aus Unverständnis und Gereiztheit. »Wenn Sie hier buchen. Ohne Buchung geht das nicht.«
    Und er knisterte mit der Zeitung, die er vor meinem Eintritt mit einem Bleistift in der Hand studiert hatte. Offensichtlich strich er interessante Angebote in einer schier endlosen Liste an.
    »Die gewöhnliche Registrierung habe ich bereits hinter mir«, erklärte ich. »Ich brauche noch eine andere Registrierung. Ach, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Witali Rohosa, Anderer.«
    Der Milizangehörige setzte sich darauf sofort aufrecht hin und sah mich erneut an. Jetzt verwirrt. Offenbar vermochte er den Anderen in mir nicht zu erkennen. Deshalb half ich ihm.
    »Ein Dunkler«, knurrte er kurz darauf mit, wie mir schien,

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