2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

dass wir versuchen mussten, den Code aus 2 JS herauszukitzeln, und das war ungefähr so einfach, wie mit einem Feuerzeug Quecksilber aus Zimt zu extrahieren. Man sollte ja eigentlich meinen, dass man ohne Computer und Verschlüsselungssoftware oder auch nur Elektrizität und Metallschlösser überhaupt nicht vor Problemen wie diesem stehen kann, aber tatsächlich tüftelte man hier ausdauernd darum, es kompliziert zu machen. Das war wie im 17. Jahrhundert, vor der Zeit der Tresore, wo jeder Büroschreibtisch ungefähr hundert kleine Geheimfächer enthielt.
    Ich war natürlich bereit, alles Mögliche zu versuchen. Ich hatteMaske-von-Jaguar-Nacht den Oberpriester durch die Röhre anbrüllen lassen wie am Spieß, aber der antwortete einfach nicht. Er hatte nicht einmal einen Anrufbeantworter. Wir hatten zwar einen Trupp Leibeigene, die eine Treppe freilegten, die vom Heiligtum auf der Mul zu den unterirdischen Kammern führte und die vor achtzig Jahren zugeschüttet worden war, aber weil sie geräuschlos arbeiten mussten, um ihn nicht zu alarmieren, würde es Tage dauern, bis sie bei ihnen waren. Und selbst wenn wir zu ihnen durchdrangen, würden der Oberpriester und seine Begleiter trotzdem ihre Befehle befolgen und sich umbringen, falls wir zu ihnen gelangten und ihnen nicht das richtige Zeichen vorweisen konnten.
    Ich hatte sogar vorgeschlagen, dass wir einen Handel mit Abgetrennte Rechte Hand schlossen – dass 9-Reißzahn-Kolibri uns den Schlüssel gegen eine friedliche Kapitulation überließ. Doch wie Hun Xoc und Alligator-Wurzel sagten, war 9-Reißzahn-Kolibri vielleicht gar nicht mehr am Leben. Abgetrennte Rechte Hand hatte ihn womöglich längst beseitigt. Und selbst wenn wir ein Abkommen schlossen, warum sollten wir ihnen glauben? Sie würden uns wahrscheinlich den falschen Code nennen, und bis wir hineinkamen, war der Kerl schon tot. Und wenn wir die Stadt übergaben, ohne sie in Trümmer zu legen, grub 9-Reißzahn-Kolibri sein altes Grab vielleicht wieder auf, ganz egal, wie viele Felsklötze ich darüberlegen ließe, und mein eingepökelter Körper wäre keinen Pfifferling mehr wert. Außerdem gehörte »friedliche Kapitulation« sowieso nicht zum Vokabular meiner Maya-Brüder.
    Darum hatte ich meinen Beratern am Ende recht gegeben. Ich konnte die Frustration aber kaum ertragen, genau zu wissen, wo der Kerl war, aber nicht zu ihm zu kommen. Ich merkte deutlich, dass ich zu allem Überdruss auf ein Magengeschwür hinarbeitete. Und 2 JS zu foltern brachte auch nicht viel. Bis jetzt hatte es uns keinen Schritt weitergebracht, und besser fühlte ich mich dadurch auch nicht. Natürlich hätte ich ihn wahrscheinlich sowieso gefoltert für das, was er Koh angetan hatte. Aber jetzt musste ich dabei auch noch vorsichtig sein.
    Ich zog die Spitze des Spießchens zurück, schob sie in den Warzenfortsatz des Schläfenbeins und kratzte ihm damit über den Knochen, zuerst ganz langsam.



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    Gegen seinen Willen stöhnte er auf. Ich zog die Spitze langsam hin und her, und er stöhnte noch mehr. Genau wie Intimitäten weckt Folter beim anderen eine tiefe, augenblickliche Reaktion. Man muss auf Rhythmen achten und darauf eingehen, ob ein Schmerz eine Steigerung des vorherigen darstellt. Folter hat auch die Intimität an sich, die man empfindet, wenn man ein gutes Spiel gegen einen cleveren Gegner spielt. Beides gehört zusammen wie drei Spitzen eines Dreiecks.
    2 JS verzog keine Miene, aber das Stöhnen nahm zu. Als es verebbte, musste ich innehalten, ehe er vor Schmerz das Bewusstsein verlor. Der Necker kroch hervor, löste eine gepolsterte Baumwollbinde von 2 JS ’ Schulter und massierte ihm den Nacken. Es war wichtig, dass keine seiner Gliedmaßen taub wurde. Komm schon, brich zusammen, dachte ich. Du wirst mir entweder sagen, was das Zeichen ist, oder du wirst jeden Quadratmikrometer eines Kontinents aus Schmerz erkunden – ein Schmerz, wie ihn noch nie jemand erduldet hat. Eine Kurpackung Chilischoten wird dir vorkommen wie Marenas Memoryschaumsofa.
    Ich lernte. Ein Experiment hat einmal gezeigt, dass fast jeder es genießen kann, Folterknecht zu sein, solange jemand ihn anleitet und ihm immer wieder versichert, er tue das Richtige. Ein Vergnügen für die ganze Familie. Der Necker suchte eine Klistierblase aus und quetschte 2 JS daraus ein paar Tropfen in den Mund. Es war ein dreifach gereinigtes B’alche’, mit Vanille und Honig versetzt, fast ein Stärkungsmittel. 2 JS schluckte unwillkürlich, obwohl er