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2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

Titel: 2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D'Amato
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ist …«
    » Ich bin krank. Das Laurin-Sandrow-Syndrom. Wie lange bleibt mir noch?«
    »Es geht wirklich nicht um dich. Großes Indianerehrenwort.«
    Sie schaute mich an, nahm wieder einen Zug an der Zigarette und blickte mich intensiver an – etwas, was wir Auties und Pseudo-Auties kaum je tun, die Normalen für unseren Geschmack aber viel zu oft: Normalos starren einen an .
    »Okay, gut. Was also ist es? Hast du im Spiel etwas entdeckt?«
    »Nichts Ungewöhnliches, sonst wüsstest du davon.«
    Schweigen. Wieder betrachtete sie mich, und ich erwiderte ihren Blick.
    »Du weißt, wie du sterben wirst, stimmt’s?« Sie nahm wieder einen Zug.
    »So ähnlich. Aber das ist ein blödes Thema, reden wir von etwas …«
    »Wie wirst du sterben?«
    »Das sage ich dir nicht. Ich bin fertig.«
    »Okay. Wann wirst du sterben?«
    »Ich möchte nicht darüber reden, weil ich es noch nicht genau weiß. Ich muss noch einige Partien spielen. Aber in zwei Jahren gibt es einen Bürgerkrieg, und wir müssen alle fliehen, nach … Island.«
    Wieder starrte sie mich an. Wieder starrte ich zurück.
    »Komm schon, was wird passieren? Ich weiß, dass du in die Zukunft geblickt hast, und du hast etwas Großes entdeckt.«
    »Nun ja …«
    »O verdammt. Du hast noch einen Doomster gefunden, richtig?«
    Gib besser keine Antwort darauf, sagte ich mir. Gib auf nichts eine Antwort, Jeddiot. Bleib stumm, und du kommst hier weg.
    »Deshalb stirbst du nicht vor allen anderen. Wir sterben alle gleichzeitig. Du hast gesagt, dass es eines Tages noch mehr Doomster geben würde. Und du bist einem davon auf die Spur gekommen und glaubst nicht, dass du ihn aufhalten kannst.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Oder gibt es eine Naturkatastrophe?«
    »Nein«, sagte ich. »Keine Asteroiden, keine Flutwellen, keine Invasion der Zombies, keine Lava …«
    »Ein Atomkrieg.«
    »Nein.«
    »Was dann? Du hast gerade Schuldbewusstsein angedeutet.«
    »Es ist diese … die Investition.«
    »Wie viele Menschen werden darunter leiden müssen?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Wird sie mehr als hundert Menschen töten?«
    »Ich glaub schon.«
    »Mehr als zehntausend?«
    »Darauf antworte ich nicht.«
    »Fünfzigtausend!«
    »Ich gebe keine Antworten mehr. Ich bin fertig damit. Ich bin ein Mistkerl, das ist alles.«
    »Ein wie großer Mistkerl?«
    Ich ließ den Blick durchs Zimmer schweifen. Die Uhr sagte, es seivor. Draußen im Garten war die Beleuchtung des Pools erloschen, sodass ich eine Hecke hinter dem Schwimmbecken ausmachen konnte, die offenbar aus Pfefferbäumen bestand. In Neo-Teo streifte Eos Aimatiródactylos  – die Dämmerung mit den blutigen Fingernägeln – die »Ost«-Facetten der Dachfirste. Doch aus irgendeinem Grundwurde meine Aufmerksamkeit unerbittlich wieder zu Marenas Gesicht gezogen. Unsere Blicke trafen sich.
    Sie errät es, dachte ich.
    Sie legte den Stummel ihrer Zigarette in den Aschenbecher, drückte ihn aber nicht aus.
    Nein. Nein, sie tut es nicht. Cool bleiben. Sitz ganz ruhig, sitz es einfach aus.
    Eine Sekunde. Zwei Sekunden. Hat sich ihre Miene verändert? Ich konnte nicht wegsehen. Ja, sie verändert sich.
    Gestern war ich 38 Jahre alt geworden, und ich hatte während meines Exils hier auf dem Planeten Retardia mehr als genug Schlimmes gesehen, und nicht nur auf YouTube. Ich hatte Dinge gesehen, bei denen man dafür zahlen würde, sie nicht sehen zu müssen: wie Rennmäuse ihre eigenen Jungen fressen (da war ich in der zweiten Klasse), einen Maulwurf mit sternförmiger Nase und Tentakeln im Gesicht, dieses Foto von dem sechsjährigen Mädchen, das zwei Schritte hinter ihrer Großmutter auf die Gaskammern von Treblinka zugeht, acht eng zusammengestopfte nackte Kinderleichen in einem sechs Monate alten Massengrab, das No Way und ich in La Sierra fanden, als wir für das Hilfskorps der Dörfer in Widerstand arbeiteten, die ungemilderte Bosheit im grotesken Gesicht Papst Benedikts XVI ., das gigantische zahnbewehrte Neunaugengesicht des Eurotunnelbohrers, eine Frau in Mexiko-Stadt mit einem riesigen Gesichtstumor, durch den ihr Kopf aussah wie ein großer geschälter Granatapfel – aber was ich jetzt sah, übertraf mühelos alles Schreckliche, das ich je erblickt hatte. Es war kein fleischiges Ekelbild oder ein Inbegriff der Grausamkeit oder ein glupschäugiges Monster, sondern das langsame, dunkle Dämmern der Erkenntnis in Marenas Augen. Sie begriff: Ich merkte, dass sie begriff, und sie wusste, ich hatte bemerkt, dass sie begriff. Und

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