2099 - Sekundärwaffe Geistertanz
Tief holte Rhodan Luft, wühlte beide Hände in den Stoff und hob ihn hoch.
Wrehemo Seelenquell war als Superintelligenz an den denkbar ungünstigen Voraussetzungen gescheitert. Aber die Situation hatte sich verändert. Das Pochen des Aktivatorchips in der linken Schulter bewies Rhodan: Endlich kamen Kräfte zusammen, die sich potenzieren würden. „Nein!" sagte er leise, wie um sich selbst zu beruhigen. Die Art, wie er den Anzug zusammen knüllte, verriet einen anderen Wunsch. Er war dabei gewesen, als SEELENQUELL entstand. Gedanken und Begriffe, Bilder und Emotionen waren damals auf ihn übergesprungen. Morkhero, dröhnte es wieder in seinem Geist, Sepzon-Gürtel, Anzug der Phantome...
Nun hielt er selbst den Anzug in Händen, eine prachtvolle Arbeit, die er unbesehen dem Anzugmacher Parr Fiorano zuschrieb. Er entsann sich des Anzugs der Vernichtung, den Alaska Saedelaere geraume Zeit besessen und in Derogwanien dem Mächtigen Ganerc-Callibso zurückgegeben hatte.
Mit einem ähnlichen Anzug hatte der Zyklop Ramihyn Tod und Verderben verbreitet, jener Diener der Materie, der die Erde eine Zeitlang im Würgegriff gehalten hatte.
Eine Woge von Hass schlug über Perry Rhodan zusammen. Zugleich wurde ihm bewusst, dass dieser Hass ihm galt, weil der Anzug zwar die Ritteraura spürte, aber ebenso den Abtrünnigen-Status wahrnahm. Rhodan war zum Verräter an den Kosmokraten geworden. Als Instrument eines Dieners der Materie, der den Hohen Mächten treu ergeben war, musste der Anzug den Verräter töten. Er spürte auch den Abdruck des Passantums.
Rhodan hatte Anteil an der Gründung eines Thoregons, das sich dem Zugriff der Kosmokraten entzog.
Die Stimmen unter seiner Schädeldecke waren verstummt. Lediglich Genugtuung und eine Spur von Bedauern nahm der Terraner noch wahr. Der Anzug, das erkannte er in erschreckender Konsequenz, würde ihn töten, obwohl er damit einen angemessenen Träger vernichtete.
Perry Rhodans Herzschlag stockte, begann von neuem. Ein verwirrter Gedanke verriet, dass der Anzug der Phantome vom Aktivatorchip abgewehrt wurde. Beide waren Erzeugnisse der Kosmokraten. Die kurze Zeitspanne genügte, um den Stoff mit einem Gurgeln auf den Lippen zurückzuwerfen.
Perry Rhodan sträubte sich mit letzter Kraft gegen das Kleidungsstück, das unermessliches Leid gebracht hatte.
Schwer atmend forderte er den Boten von ES auf, den Anzug zu vernichten. Einen Atemzug später schlugen aus Keraetes, rechter Handfläche blasse Strahlen hervor. Sie vollbrachten, was wohl keiner terranischen Waffe möglich gewesen wäre, und hinterließen nur eine Wolke von Atomen. Erst jetzt war es wirklich vorbei.
Am Himmel verblassten die letzten Explosionen, auch die Schlacht um Arkon In war endlich beendet. Bald würden sich die ersten terranischen Raumschiffe dem Planeten nähern. Lotho Keraete fiel das fahle, kaum wahrnehmbare Glimmen auf, das sich am Fuß der Betonmauer abzeichnete. Im ersten Moment argwöhnte er, dass sich an dieser Stelle ein Rest von SEELENQUELL verborgen hatte. Das Funkensprühen war nur sehr schwach, aber immerhin vorhanden. Mit der gebotenen Vorsicht näherten sich der Terraner und der Mann aus Metall dem glimmenden Licht.
Erst aus wenigen Metern Abstand nahmen sie eine eindeutig positive Ausstrahlung wahr. Was immer sich hinter dieser kleinen, kaum dreißig Zentimeter durchmessenden Kugel verbarg, mit der negativen Superintelligenz SEELENQUELL hatte es nichts gemeinsam. Trotz Keraetes unmissverständlicher Warnung streckte Rhodan die Hand aus.
Er hielt sie eine Weile dicht über die Kugel, die sanft zu pulsieren begann, bevor er entschlossen zugriff. In dem Augenblick, in dem seine Finger in die glimmende Sphäre eindrangen, durchzuckte ihn ein mentaler Stoß, kraftvoll zwar, aber keinesfalls ein Angriff. Noch während Perry Rhodan zurückwich, entstand zwischen ihm und der Kugel ein nichtmaterieller Körper.
Die Erscheinung wuchs zu einem gut 2,10 Meter großen, grobschlächtigen jungen Terraner. Ein breites, kantiges Gesicht schaute Rhodan an. „Ich bin Yonder K'rigan", raunte eine mentale Stimme. Der Resident kannte den Namen. Der Telekinet K'rigan war mit Parkinson nach Para-City gekommen und bei der Geburt SEELENQUELLS als eines von rund 34.000 körperlosen Bewusstseinen in der Superintelligenz aufgegangen.
Nach SEELENQUELLS Ende, erklärte K'rigan, waren die MonochromMutanten als körperloser Nukleus zurückgeblieben. Sie waren schwach, von der Superintelligenz an den Rand der
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