2099 - Sekundärwaffe Geistertanz
nicht mit Energie beschickt wurden. Überhaupt schienen die in diesem Bereich überaus heftigen paraenergetischen Vorgänge die Katsugos außer Funktion gesetzt zu haben. Sie stellten keine Gefahr mehr dar.
Keraete näherte sich dem Terraner nicht ohne Scheu. Er konnte nicht erkennen, ob der von ES begünstigte Terraner noch lebte. Die Vorstellung von Rhodans Tod behagte ihm nicht. Schirmte der blaue Anzug alle Biologischen Funktionen ab, die er hätte anmessen können? Im Grunde war dies die einzige Hoffnung, die ihm blieb. Lotho Keraete hatte dem Terraner beistehen wollen. Er fragte sich, wie ES reagieren würde, wenn er vom Tod seines „alten Freundes" erfuhr. Manchmal, durchzuckte es den Mann aus Metall, vergehen Hoffnungen, bevor sie geboren werden.
Für die letzten dreißig Meter verzichtete er auf das Flugaggregat. Das eigene Zögern erschien ihm unverständlich. Er musste sich überwinden, neben dem verkrümmt daliegenden Mann in die Knie zu gehen, dann die Arme auszustrecken und Rhodan auf den Rücken zu drehen. Lotho Keraete schaute in ein hohlwangiges, ausgemergeltes Gesicht, dem die blutunterlaufenen Tränensäcke und erste Bartschatten einen kantigen Eindruck verliehen. Es war ein lebloses, wächsernes Gesicht.
Der Mann aus Metall fühlte Trauer in sich aufsteigen. Für einen Augenblick gab er sich selbst die Schuld an Rhodans Tod. Er war zu spät gekommen, hätte nicht zögern dürfen, sofort die Arena aufzusuchen ... In dem Moment schlug der Terraner die Augen auf.
Übergangslos tauchte Perry Rhodan aus anheimelnder Wärme empor in die graue Kälte, die er viel zu lange hatte ertragen müssen. Aber diesmal war es nicht der Galornenanzug, der ihn weckte und wach hielt, eine innere Unruhe hatte ihn aufgeschreckt. Obwohl er unter normalen Umständen drei Tage hätte durchschlafen müssen, durfte er jetzt noch nicht ruhen. Über sich erblickte Rhodan Lotho Keraete, den Boten von ES. Den Mann aus Metall trotz der vor seinen Augen wogenden blutigen Schleier erkennen und sich abrupt aufrichten wollen war für den Terraner eins. Erst eine quälende Übelkeit erinnerte ihn an seine körperliche Schwäche. „Langsam", mahnte Keraete und wollte ihm helfend unter die Arme greifen, aber Rhodan versteifte. „Ich schaffe es allein", brachte er schwer atmend hervor. „Wäre doch gelacht, wenn ich die paar Tage nicht wegstecken ..." Seine Anspannung entlud sich in einem heiseren Gurgeln. „Es war wohl doch etwas viel", gestand er ein. Kalter Schweiß perlte auf seiner Stirn, als er endlich, von den Kraftverstärkern des Anzugs und einer künstlich reduzierten Schwerkraft unterstützt, auf die Beine kam und schwankend einige Schritte wagte.
Keraetes lauerndes Abwarten übersah er geflissentlich. „SEELENQUELL ist fort." Er lauschte dem Klang der eigenen Worte. „Die negative Entität ist tot", bestätigte der Metallene. „Sie hätte niemals in der Milchstraße entstehen dürfen. Aber wenigstens wird sie nie wieder Leid und Verzweiflung über die Völker der Milchstraße bringen." Unruhe lag in Rhodans Blick. Er schaffte es nicht, sein Gegenüber anzusehen, sondern schaute suchend um sich - und lächelte, als er ein nur wenige Dutzend Meter entfernt liegendes, unauffällig kleines Bündel entdeckte. Offenbar hatte er genau danach gesucht. „Was ist das?" fragte Keraete. „Nichts." Rhodan wehrte erstaunlich heftig ab. Mit einer ungeduldigen Entschlossenheit ging er die nächsten Schritte und bedeutete dem Boten von ES zurückzubleiben. Eine besondere Transparenz hob den Fund kaum gegen den Untergrund ab. Das Material wirkte gallertartig. Rhodan bückte sich und schlug das Bündel mit einer fahrigen Bewegung auf. Es handelte sich um einen Anzug, der für ein humanoides Wesen zwischen zwei und drei Metern Größe gefertigt worden war. Also zu groß für ihn selbst. Trotzdem war Rhodan instinktiv davon überzeugt, dass ihm der Anzug wie angegossen passen würde.
Er tastete über das unbekannte Material. Der Stoff fühlte sich unglaublich weich und anschmiegsam an, und selbst durch die Handschuhe hindurch registrierte der Terraner die Nähe einer mächtigen Kraft. Fremde Stimmen wisperten plötzlich in seinem Kopf. Schmeichelnd und Verführerisch: Zieh den Anzug der Phantome an. Er sucht nach einem Träger. Wenn du derjenige sein willst, wird dir der Anzug unermessliche Macht verschaffen. Eine verlockende Aussicht. Das war alles, was von SEELENQUELL geblieben war: der Anzug der Phantome mit dem Sepzon-Gürtel.
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