2147 - Die große Konjunktion
beiden froh, wenn wir sie nicht belästigen."
Kellind wusste, dass mindestens dreißig Personen sie und Tekener verstohlen im Auge hatten. Die halbe Zentralebesatzung. Einen Gesichtsverlust konnte sie sich nicht leisten.
Fee Kellind galt nach allgemeiner Auffassung als die schönste Frau der SOL. Es gab kaum eine Terranerin, die ein solches Kompliment kalt gelassen hätte. Auch nicht Fee Kellind.
Blondes langes Haar, gepflegte Haut, selten hatte man sie in einem Zustand gesehen, der anders zu beschreiben war als „wie gelackt". Doch abgesehen vom Neid, den ihre subjektive Schönheit unter anderen hervorrief, hatte sie früher immer wieder gegen einen Ruch von Fassade ankämpfen müssen.
Sie war die Kommandantin. Herrin über die Abläufe in einem gigantischen goldenen Schiff von acht Kilometern Länge.
Eine Kommandantin habe nicht schön zu sein, hatten anfangs einige gesagt. Eine Kommandantin habe zu funktionieren, sonst gar nichts. Kellind hatte das Vorurteil stets für unberechtigt gehalten.
Nach all den Jahren war klar, dass sie das Schiff führen konnte. Es gab praktisch keinen mehr, der sie wegen ihres Aussehens als nicht fähig genug abqualifizierte.
Sie ließ ihren Sessel zur anderen Seite schwingen, demonstrativ von Tekener weg; zu den Panoramaholos, die ein beeindruckend prächtiges Bild der Stadt Rik'ombir zeichneten.
Tekener meinte es nicht persönlich: Dies hielt Kellind sich vor Augen.
Der Aktivatorträger war ein risikobereiter Hasardeur, so das Klischee - und Kellind hatte eine Besatzung, zu der mittlerweile 47 Kinder zählten, darunter ihr eigener Sohn Arlo.
Die Rollen waren damit verteilt.
Fee Kellind nahm sich jederzeit die Freiheit, Tekeners Befehle zu verweigern, wenn diese gegen Interessen der Besatzung verstießen. Notfalls auch Befehle, die von Atlan kamen.
Kellind hatte längst den Eindruck, dass die Besatzung diesen Umstand zu würdigen wusste.
*
Auf dem Planeten Vision, in der Sprache von Wassermal Zabar-Ardaran, wohnten die Pangalaktischen Statistiker. Es handelte sich um neun vergeistigte Wesen, die aus gewaltigen Türmen in den Kosmos hinaus horchten und Wissen sammelten. Die Türme waren die Horchposten der Statistiker.
Einen bewohnte Rik, der Herr der Stadt Rik'ombir. Hoch über diesem Turm schwebte das Raumschiff SOL.
Die gesamte Anlage war von Besuchern aus fernen Galaxien umlagert.
In regelmäßigen Abständen stieg jeder der Statistiker von seinem Turm und gab das gesammelte Wissen weiter. Die Sterblichen warteten wie fiebrig auf solche Augenblicke. Viele Wesen aus anderen Galaxien reisten über Jahre hinweg zu diesen Ereignissen an.
Wenn alle neun Statistiker gemeinsam Hof hielten, war das ein Augenblick von herausragender Bedeutung für Wassermal - und für die Wesen aus anderen Sterneninseln.
Eine Große Konjunktion.
So wie die, deren Beginn sie eben miterlebten! Deren mentales Streufeld bis in die SOL zu spüren war. Nur, dass die Große Konjunktion dieses Mal gegen den ewigen Plan verstieß.
Statt aller neun hätten nur fünf Statistiker herabsteigen sollen.
An Bord der SOL glaubte man zu wissen, dass sie der Grund der Änderung waren.
Wäre der Turm nicht so riesig und eindeutig künstlich gewesen, Kellind hätte ihn für einen gewaltigen Felsenkamin gehalten. Seine Oberfläche erinnerte an porösen, sandsteinfarbenen Tuff. An der Basis war Riks Turm einen halben Kilometer breit, die Höhe lag bei insgesamt drei Kilometern.
Das Gebäude verjüngte sich bis zu einem Durchmesser von achtzig Metern an der Spitze.
Exotisch aussehende Wesen unterschiedlichster Herkunft, aus fernen Systemen und Galaxien, schoben sich dicht an dicht über das Gelände.
Kellind empfand den Anblick als beklemmend. Es war exakt jene Art Gedränge, die beinahe der Menge zum Verhängnis geworden wäre.
Und nun rückten sie schon wieder zusammen.
Unter den Türmen, in der Stadt Rik'ombir, überall machte sich Euphorie breit. Von Panik oder Gefahr - so wie vor einem halben Tag! - blieb nichts mehr.
Rik kam. Kam zu den Sterblichen. Stieg aus den Weiten des Kosmos zu jenen herab, die Wissen suchten. Würde sie mit göttlicher Weisheit erleuchten.
„Täusche ich mich, oder wird es wirklich stärker?" Kellinds Stimme vibrierte, sie fühlte in ihrem Schädel eine endorphingesteuerte Erregung wachsen, gegen die sie mühsam kämpfte.
„Keineswegs, Fee. Du hast Recht."
Kellind und Tekener tauschten einen Blick, der ausnahmsweise Einverständnis signalisierte.
Keiner von
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