2273 - Der gefallene Schutzherr
zitterte am ganzen Leib. Seine Haut schimmerte feucht, als immer mehr Körperflüssigkeit aus seinen Poren drang - giftige Substanzen, die Enkrine sonst absorbierte.
Aber das merkte er gar nicht. Seine Stimme bebte. Er schwankte, als er auf einen Prunksessel zuging. Er hatte das Gefühl, das Bewusstsein verlieren zu müssen - oder sogar den Verstand.
Die Panik, in dieser Heftigkeit nie gekannt, hatte ihn fester und fester im Griff. Sie würgte an ihm, erstickte jeden vernünftigen Gedanken. In ihm schrie nur noch die Angst. Er brüllte sie heraus wie ein Tier, als er in dem Sessel saß und sich an den hohen Lehnen festkrallte. „Enkrine! Sucht ihn! Bringt ihn mir! Holt ihn, sonst...!"
Seine Stimme erstarb, versickerte in einem Krächzen. Seine Beine und Arme zuckten wild.
Angst, nackte Todesangst, zerrte an ihm, brannte in seinen Adern, zündete seinen Skelettkörper an. Er brannte! Verbrannte von innen. „Sucht... ihn!", würgte er hervor.
Andrass war schon längst nicht mehr da. Tagg Kharzani kämpfte um seinen Verstand. Er sah sich wie in einem seiner vielen hundert Spiegel, aber er sah sich altern und zerfallen. Falten bildeten sich, die graue Haut riss auf, seine Knochen brachen, er sank am Boden zusammen und zerfiel, zerfiel immer mehr ...
Sein Leben! Es war das Wichtigste im Universum. Aber gleich danach kam Enkrine! Beides gehörte zusammen. Sie waren untrennbar miteinander verbunden. Wenn Enkrine fort war, wenn er nicht zurückkam, wenn ihm etwas geschehen war - es wäre das Ende!
Tagg Kharzani brüllte und schrie, immer wieder krächzte er Enkrines Namen. Er würgte, erbrach sich, wurde von Krämpfen geschüttelt. Die Angst verwandelte ihn in etwas, das die Jahrtausende nicht schaffen konnten. Er war nur noch ein lebender Toter, von der Panik zermalmt, unter seiner Furcht begraben wie unter hundert Tonnen zusammenbrechender Mauern.
Er war nichts mehr! Er war...
Hinterher wusste er nicht, wie lange es gedauert hatte. Irgendwann kam er wieder zu sich und hörte Andrass' Stimme, zuerst wie aus weiter Ferne, dann näher, schließlich ganz dicht an seinem Ohr. Der Verwalter wagte es nicht, ihn zu berühren. Trotzdem war es, als schüttele er ihn! Dabei war es nur seine Stimme. Sie hallte und schallte in Kharzanis Ohren, seinem Kopf, seinem Geist, und es dauerte lange Minuten, bis er endlich verstand, was der Androide ihm zurief. „Enkrine, Herr!", dröhnte es wie ein mächtiger Gongschlag in ihm. „Er ist zurück! Spürst du ihn nicht, Herr?"
Noch einmal wurde Tagg Kharzani geschüttelt. Er hatte seinen Hut verloren. Andrass stand vor ihm und hielt ihn ihm entgegen.
Er hatte sein Gesicht gesehen. Er hatte ihn in einem Zustand gesehen, vor dem es ihn selbst graute und ekelte. Er hatte seine Angst gesehen, und das, was sie aus ihm machen konnte. Das durfte kein lebendes Wesen.
In diesen Augenblicken, in denen er langsam begriff, dass er lebte und leben würde, wurde ihm klar, dass Andrass nicht mehr lange bei ihm sein würde.
Und noch einiges andere.
Der Schock hätte fast das bewirkt, was niemals geschehen durfte. Die Angst davor, dass es so kommen könnte, hätte fast jedem Feind die Arbeit abgenommen. Das durfte nie wieder geschehen, er durfte sich nie wieder so weit der Schwelle des Lebens nähern. Und er begann noch am gleichen Tag damit, die Konsequenzen zu ziehen.
Zuerst nahm er Enkrine in die Pflicht. Er redete ihm zu, er befahl ihm, am Ende bat und flehte er ihn an, so etwas nie wieder zu tun. Ihn niemals wieder im Schlaf zu verlassen und das Schloss zu erkunden - auf seine eigenwillige, abenteuerliche und furchtbar gefährliche Weise.
Er erniedrigte sich vor seinem Symbionten und hasste sich hinterher dafür. Zum zweiten Mal an diesem Tag hatte er sich vor einem anderen Wesen eine Blöße geben müssen. Er hasste die ganze Welt dafür, und in seinem Zorn rief er alle Vorarbeiter der Kybb-Rodish zu sich in den größten aller Großen Säle und gab ihnen in harschem Ton Befehle.
Er befahl ihnen, die Arbeiten an den Bodenforts voranzutreiben und die Forts mit allen Waffensystemen auszustatten, die im bekannten Universum zu haben und nach Kherzesch zu transportieren waren.
Er wies sie an, aus den fähigsten Kybb-Giraxx eine Leibgarde zusammenzustellen, wie die Welt sie noch nicht gesehen hatte. Er verlangte mindestens tausend Mann, und sie sollten die Keimzelle einer Streitmacht bilden, die er einmal auch außerhalb Kherzeschs einzusetzen gedachte: Kharzanis Garden! Für den Augenblick
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